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PUEG und eine Erkenntnis in der Straßenbahn

Neulich war ich mit der Straßenbahn unterwegs. Die Straßenbahn war ziemlich voll und ich saß mitten zwischen einer Gruppe junger Frauen. Mir gegenüber war noch ein Platz frei, auf den ein älterer Herr zu steuerte, der offensichtlich Probleme beim Laufen hatte, denn er ging an einem Gehstock.

Elisabeth Scharfenberg
Foto: Michael Farkas Elisabeth Scharfenberg ist Pflegeexpertin. Von 2005 - 2017 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags. Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie einen Kommentar unten in das Kommentarfeld!

Von Elisabeth Scharfenberg

Der Herr setzte sich, schaute eine der jungen Frauen unverwandt an und fragte sie, woher sie sich kennen würden. In diesem Moment dachte ich „Oha, was passiert denn da?“. Ich war auf alles gefasst, insbesondere darauf, mich einzumischen und der Angesprochenen zur Seite zu springen. Aber es kam ganz anders. Das Mädchen lächelte den älteren Herren an und sagte freundlich: „Sie waren früher mein Wirtschaftslehrer. Ich habe Sie gleich erkannt.“ Darauf hin entwickelte sich ein Gespräch über die Schulzeit, die schlimme Klasse, den schwierigen Lernstoff und der Frage, die kommen musste: „Was machst Du denn jetzt?“ Die Antwort der ehemaligen Schülerin war: „Ich mache eine Ausbildung zur Pflegeassistentin. Bald habe ich Abschlussprüfung.“ Der ehemalige Lehrer nickte und startete dann mit der Aufzählung der gesamten Liste, warum dieser Beruf so schwer, so unterbezahlt, und die Arbeit als Pflegekraft so unangenehm sei. Die junge Pflegeassistentin in spe hörte sich das ruhig an. Ich war natürlich total gespannt darauf, was sie nun antworten würde.

Und siehe da, sie lächelte und sagte freundlich „Ach wissen Sie, da haben Sie sicherlich recht, aber mir macht der Beruf einfach unheimlich viel Spaß!“ Der pensionierte Lehrer stutzte kurz – anscheinend hatte er eine andere Antwort erwartet. Er erwiderte darauf hin, dass es ja so wichtig sei, dass es gute Pflegekräfte gäbe und wie schwierig seine derzeitige Lebenssituation für ihn sei. Ich war ehrlich berührt, mit welchem Selbstbewusstsein diese junge Frau über ihre Ausbildung und ihre Freude am Beruf sprach. Trotz allen Widrigkeiten. Und ja, der Beruf ist schwer und oftmals stressig. Es gibt viele Baustellen, die beim Thema Pflege, Fachkräftemangel, Entlohnung – um nur einige zu nennen – zu bearbeiten sind. Und dafür dürfen wir uns keine Zeit mehr lassen. Die Pflegeassistentin aus der Straßenbahn, wie viele andere, halten im Moment den Pflege-Laden am Laufen. Es ist aber schon lange 5 nach 12. Diese junge Frau hat mir noch mal ganz deutlich gezeigt, wie hoch hier die Verantwortung der Pflege gegenüber ist. Ob das neue Gesetz zur Unterstützung und Entlastung der Pflege, kurz PUEG, von dem jetzt ein Referentenentwurf vorliegt, dem gerecht wird? Ich habe da so meinen Zweifel…

Eine Antwort auf “PUEG und eine Erkenntnis in der Straßenbahn

  1. med-pharm-historie

    PUEG und nur „eine“ Erkenntnis in der Straßenbahn ?…na ja
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    der Beitrag ist Sonnenstrahl in der sonst desolaten Lage der
    Pflege in Deutschland. Die auf der Hand liegende Lösung der Personalprobleme , die allgemeine Dienstpflicht für alle Schulabgänger/innen, wird sich letztendlich NICHT umgehen lassen…ansonsten wird die deutsche Gesellschaft auseinanderfallen…Feuerwehren, Rettungsdienste, Krankenhäuser sind schon lange NICHT mehr in der Lage das öffentliche Gesundheitswesen rundum präsent zu vertreten.
    Wir sind bereits mitten in der Katastrophe ; Augen zu und durch funktioniert NICHT mehr !!