Corona

Schüler sollen Pflegende im Kampf gegen Corona entlasten

Um Pflegekräfte im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu entlasten, wollen das Bundesfamilien- und Bundesgesundheitsministerium Auszubildende mehr in der Pflegepraxis arbeiten lassen. Bildungsinstitutionen lehnen dies ab.

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Foto: BLGS BLGS-Vorsitzender Drude: „Wir lehnen es ab, unsere Auszubildenden jetzt noch stärker als bisher für die langjährigen hausgemachten Versäumnisse einer verfehlten Gesundheitspolitik büßen zu lassen.“

In einem gemeinsamen Schreiben vom 26.01.2021 an die Partner der Ausbildungsoffensive Pflege regen das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesgesundheitsministerium an, Auszubildende möglichst noch mehr in der Pflegepraxis arbeiten zu lassen. Geprüft werden soll, inwieweit sich Pflegeschülerinnen und -schüler in Alten- und Pflegeheimen im Rahmen von Covid-19-Testungen oder der Impf-Organisation einsetzen lassen.

„Es ist unsere gemeinsame und vorderste Aufgabe, die Einsatzfähigkeit des Pflegepersonals sicherzustellen und das Pflegepersonal in dieser Krisensituation bestmöglich zu entlasten. Daher gilt es jetzt alle zur Verfügung stehenden Ressourcen zu mobilisieren“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion Altenheim und CAREkonkret vorliegt.
Die Auszubildenden in der Pflege könnten hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, heißt es weiter.  Bereits im ersten Ausbildungsjahr könnten sie bei der Durchführung von Testungen oder bei den Vorkehrungen der Hygiene- und Schutzmaßnahmen zur Entlastung beitragen. „Dies könnte insbesondere durch das Verschieben schulischer Ausbildungsabschnitte bzw. einer Abänderung der Reihenfolge der praktischen Ausbildungsabschnitte erfolgen“, heißt es in dem Brief. Die Verordnung zur Sicherung der Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ermögliche diese Flexibilisierungen.

Das Schreiben von Giffey und Spahn ging unter anderem an den Verband Deutsche Alten- und Behindertenhilfe, den Deutschen Pflegerat, an Wohlfahrtsverbände und den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Dessen Präsident Bernd Meurer nannte die Vorschläge “so vernünftig wie selbstverständlich”. “Auszubildende können die Beschäftigten entlasten. Nach einer entsprechenden Einweisung ist auch ein Einsatz als Testhelfer möglich”, sagte er der dpa.

BLGS lehnt Maßnahmen kategorisch ab
Kritik für diese Pläne äußerte der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe  (BLGS). „Die für die Ausbildung vorgesehenen Lern- und Anleitungszeiten würden zugunsten reiner Arbeitszeit gekürzt, aus Lernenden würden vorübergehend Hilfskräfte, die den Mangel an Pflegefachkräften kompensieren sollen“, so der Verband. Seit Beginn der Pandemie mussten infolge der Schulschließungen erhebliche Einbußen in der Ausbildungsqualität hingenommen werden. Die Zustände in der Pflegepraxis und die schulischen Einschränkungen wirkten schon jetzt so demotivierend, dass bereits eine Vielzahl vermeidbarer Ausbildungsabbrüche zu verzeichnen sei.
 
Bundesvorsitzender Carsten Drude: „Wir sind dazu verpflichtet, das körperliche und psychische Wohlergehen der uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen und sie vor übermäßigen Belastungen zu schützen. Wir lehnen es ab, unsere Auszubildenden jetzt noch stärker als bisher für die langjährigen hausgemachten Versäumnisse einer verfehlten Gesundheitspolitik büßen zu lassen.“

Kritisch äußerte sich auch die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Westig. Sie begrüßte den Einsatz von Freiwilligen und Bundeswehr, lehnte den Vorstoß aber ab, verstärkt Azubis einzusetzen. “Es konterkariert alle Bemühungen, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten”, sagte Westig der dpa mit Blick auf den Vorschlag Spahns und Giffeys, dafür schulische Abschnitte in der Pflegeausbildung zu verschieben.

Hintergrund: Der Aufruf der beiden Ministerien ist Teil einer größeren Initiative der Bundesregierung zur Sicherstellung einer umfangreichen Testung auf SARS-CoV-2-Infektionen in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Freiwillige werden aufgerufen sich über die Bundesagentur für Arbeit zu melden, insbesondere werden auch die Freiwilligendienstleistenden in Bundesfreiwilligendienst, Freiwilligem Sozialen und Freiwilligem Ökologischen Jahr angesprochen. Auch die Bundeswehr unterstützt mit Personal in den Alten- und Pflegeeinrichtungen vor Ort.