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Roboter als Retter der Pflegebranche?

Ist der Roboter der Retter in der Pflegebranche? Viele berichten davon, wie leicht es doch sei, dass Pflege einfach durch einen Roboter ersetzt wird. Dies wäre klar praktisch, bei dem Fachkräftemangel, aber ist dies wirklich Realität? Würden das die Menschen tatsächlich erleben wollen? Außerdem: Wie sieht es überhaupt mit der rechtlichen Lage aus? Miriam Moser hat dazu bei Rechtsanwalt Peter Sausen nachgefragt.

Foto: Privat Miriam Moser, Digital- und Pflegepionierin, Expertin im Digital-Health Bereich, Linkedin-Bloggerin sowie Dozentin an der FH Campus Wien

Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass sich viele Pflegekräfte sogar verunsichert fühlen, wenn sie oft solche Schlagzeilen lesen. Menschen brauchen andere Menschen. Technologien können als Unterstützung herangezogen werden, aber sie ersetzen deswegen nicht die zwischenmenschliche Nähe. Zusätzlich ist es hierbei wichtig, immer auch den ethischen und rechtlichen Hintergrund nicht außen vor zu lassen. Besonders wenn Menschen nicht so digitalaffin sind, ist es wichtig diese langsam heranzuführen. Dafür braucht es in erster Instanz die Pflegekräfte selbst, die hier die digitale Transformation wirklich hautnah miterleben dürfen. Was ist ein Roboter, welche unterschiedlichen Robotertypen gibt es und wie können sie uns Pflegekräfte, sowie Bewohner/Klienten und Patienten dabei unterstützen?

Hier kurz einen Überblick welche Roboterarten es überhaupt gibt:

•    Modulare Roboter (Exoskellet)
•    Serviceroboter/Transportroboter (bringt selbstständig Essen zu den Stationen/Abteilungen)
•    Soziale Roboter (Robbe Paro, für demenziell erkrankte Menschen)
•    Mobile Roboter (Flächendesinfektion mit UV-Licht)
•    Autonome Roboter (diese können z.B. bei Visiten selbstständig mitfahren und eine Videoübertragung durchführen sowie Aufzeichnungen tätigen)

Vielleicht hat der eine oder andere von euch bereits mit einen von diesen Robotern zu tun gehabt. Zur Corona-Pandemie waren häufig Roboter im Einsatz, die mit UV-Licht die Räume desinfiziert haben. Es gibt auch soziale Roboter, wie die Robbe Paro die bereits seit 2004 im Einsatz ist. Sie kann demenziell erkrankten Menschen dabei helfen, durch streicheln des Roboters, ruhiger und entspannter zu werden und dies kann sich wiederum auch positiv auf die medikamentöse Therapie auswirken. In einigen Unikliniken gibt es auch den autonomen Roboter, der auch für mobile Visiten eingebunden wird. Hier geht es darum, dass diese eine Videokommunikation mit einem anderen Experten ermöglicht, weil z.B. der Patient eine seltene Erkrankung hat, wird eine Videosprechstunde ermöglicht und dieser kann auch direkt die Notizen dokumentieren und so profitieren die Mitarbeiter, als auch der Patient vom Austausch.

Ein Beispiel – und die Frage der Haftung

Angenommen man arbeitet in einer Langzeitpflegeeinrichtung, hat heute 40 Bewohner im Nachtdienst als Pflegefachmann/Pflegefachfrau zu versorgen und dann die erste Glocke im Nachtdienst. Man geht zum Zimmer und will nachfragen, dabei sieht man schon die Pfütze und sieht unten die Teekanne liegen. Es ist klebrig und nass und die Gefahr des Sturzes ist vorprogrammiert. Zeitgleich läutet bereits die nächste Glocke und zufällig hat gerade die Station vor 2 Wochen einen Reinigungsroboter erhalten und will diesen gleich einmal ausprobieren. Leider war die Pflegekraft bei der Einschulung krank, aber sie denkt sie kann dies sicher auch ohne und aktiviert diesen ins Zimmer zu kommen. Der Serviceroboter verlässt die Ladestation und fährt zu diesem besagten Zimmer und reinigt den Boden, dabei steht die Bewohnerin auf. (Obwohl ihr gesagt wurde, sie soll bitte liegen bleiben und die Pflegekraft kommt in 5 Minuten wieder, weil sie kurz zur anderen Glocke gehen muss.) Die Bewohnerin steht auf und auf einmal reagiert der Roboter falsch und fährt die Bewohnerin an und rammt auch noch das Nachtkästchen. Die Bewohnerin versucht sich noch festzuhalten und stürzt, sie hat sich dabei ihre rechte Hand gebrochen.

Wer haftet in dieser Thematik, wenn der Roboter hier anscheinend einen Fehler hat, aber auch zeitgleich die Pflegekraft nicht eingeschult wurde? Hat auch dies einen Einfluss auf die Haftung? Um auch die rechtliche Sichtweise miteinzubinden, habe ich den Experten, Rechtsanwalt Peter Sausen um ein Statement gebeten, denn auch immer mehr Pflegeeinrichtungen/Tagespflegen haben Roboter im Einsatz und hier ist es auch spannend, wie und auf was man hierbei zu achten hat.

Peter Sausens kurze rechtliche Einschätzung lautet:
“Neben der interessanten Frage, wie der Einsatz von Robotik leistungsrechtlich zu bewerten ist (ersetzen im Personalabgleich vielleicht rechnerisch zwei „Roboter“ eine Pflegekraft?), stehen haftungsrechtliche Fragestellungen im Vordergrund.
Der Anwendungsbereich der Robotik in der Pflege ist aufgrund des technischen Entwicklungsstandes inzwischen sehr weit. In der Anwendung sind etwa “Assistenz-Roboter”, die Pflegebedürftige bei der Nahrungsaufnahme oder Körperhygiene unterstützen, Medikamente oder Wäscheutensilien bereitstellen. Sogenannte Exoskelette können körperlich eingeschränkte Bewohner*innen beim Gehen unterstützen und Service-Roboter reinigen oder transportieren Bewohner*innen. So weit die denkbaren Anwendungsgebiete sind, soweit ist das rechtliche Spannungsfeld, in dessen Rahmen sich der Einsatz von Robotik bewegt. Und dies umso mehr, als Systeme selbstlernend arbeiten (hier stellt sich das Problem der „erlernten Fehler“) und personenbezogene Daten der Bewohner*innen erfassen, verarbeiten und speichern.
Die rechtliche Lage rund um die Robotik in der Pflege ist heute eine Grauzone. Die versicherungstechnischen Zusammenhänge sind dabei immer noch weitgehend ungeklärt. Kommt es zu einem Unfall, der auf eingesetzte Robotik zurückzuführen ist, sind grundsätzlich die üblichen Haftungsansätze zu prüfen. Neben der Haftung des Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt kommt immer eine Haftung der die Robotik nutzenden Einrichtung in Betracht. Die Robotik einsetzende Einrichtung haftet nach den bekannten allgemeinen Grundsätzen für ein Organisationsverschulden, ein Überwachungsverschulden sowie ein Durchführungsverschulden der die Robotik anwendenden Mitarbeitenden. Die Einrichtungen sind verpflichtet, den Einsatz der Robotik so zu organisieren, dass kein Bewohner, kein Mitarbeitender und kein Dritter durch den Einsatz zu Schaden kommt. Auch ist die Beachtung der Anwendungsvorschriften und Herstellerangaben zum Einsatz der Robotik durch die Mitarbeitenden zu überwachen. Kommt es dennoch zu einem Unfall durch einen Durchführungsfehler (Fehler beim Einsatz der Robotik) des Mitarbeitenden, so haftet der Mitarbeitende bei schuldhaftem Handeln und hier in der Folge auch die Einrichtung gegenüber dem Geschädigten. Allerdings kommen haftende Mitarbeitende in den Genuss der sogenannten arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung, wodurch sie unterhalb von Vorsatz und gröbster Fahrlässigkeit immer nur – wenn überhaupt – anteilig zur Haftung herangezogen werden können.
Eine große rechtliche Herausforderung beim Einsatz von Robotik ist der Datenschutz. Die eingesetzten Systeme müssen mitunter große Datenmengen sammeln, um sich weiterzuentwickeln. Damit dringen Pflegeroboter teils weit in den Privatbereich der Bewohner*innen ein. Hier ist zu klären, ob, in welchen Umfang und wie das Einverständnis der Bewohner*innen einzuholen ist. Klare Vorgaben bestehen derzeit noch nicht.

Derlei Unfälle werfen haftungsrechtlich komplizierte Fragen auf. Wer haftet, wenn ein Service-Roboter ein Hindernis übersieht und mitsamt der Essensladung auf einen Gast fällt? Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Küchenroboter heißes Bratfett verschüttet und einen Koch so schwer verletzt, dass dieser arbeitsunfähig wird? Der Robotikhersteller, weil er ein fehlerhaftes Gerät in Verkehr gebracht hat? Der Softwarehersteller, weil er einen faulen Code verkauft hat? Oder der Arbeitgeber, weil er seiner Sicherungspflicht nicht nachgekommen ist? Auf Rechtsanwälte könnte noch viel Arbeit zukommen.”

Peter Sausen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber der Kölner Kanzlei SAUSEN & Partner; Dozent und Fachautor für Arbeitsrecht; Lehrbeauftragter der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) für Arbeitsrecht und Personalführung.
Bei Fragen:    Sausen@Sausen.de

Wenn wir ehrlich sind, denke ich, wir machen uns oftmals viel zu wenig Gedanken darüber und stellen die Technik allein zu sehr in den Vordergrund und vergessen dabei unterschiedliche Blickwinkel dabei wahrzunehmen. Ohne die Mitnahme der Menschen hilft der beste Roboter nicht viel, deswegen ist es so wichtig gemeinsam im Team zu überlegen, was konkret benötigt wird und wie hier digitale Lösungen unterstützen könnten. Wir stehen, wie bei vielen digitalen Angeboten, noch ganz klar am Beginn und mit guten Aufklärungsangeboten, können wir die Barrieren deutlich verringern.

2 Kommentare

  1. med-pharm-historie

    genau, diese grundlegende Frage stellt sich ..dringlich ….

  2. med-pharm-historie

    KI kann NUR ein Gesichtspunkt, unter vielen sein, die auf den Nägeln brennenden vielschichten ” Baustellen ” in der Pflege zu bewältigen.
    Die Einführung des verpflichtenden sozialen Jahres für ALLE
    Schulabgänger/innen wäre eine Möglichkeit.