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Zu viel Stress, zu wenig Geld

Kürzlich las ich in einer süddeutschen Zeitung einen Leserbrief, in dem die Leiterin eines Kurses in einer Altenpflegeschule berichtete, dass von 55 ihrer Azubis lediglich die Hälfte weiterhin in der Altenpflege arbeiten werden.

Elisabeth Scharfenberg
- Elisabeth Scharfenberg, Politikerin

Ihre Umfrage ergab, dass sich die andere Hälfte einen Absprung in eine BG-Klinik oder einen ganz anderen Weg vorstellen könne. Als Gründe wurden genannt, dass die Azubis einen erheblichen Teil der Arbeit in den Einrichtungen leisteten, dass es zu wenig Anleitung in der Praxis und zu wenig Zeit zum üben gäbe. Die Azubis würden zu 100 % eingeteilt und müssten zum Teil Aufgaben übernehmen, die sie noch gar nicht machen dürften. Als Beispiel wurde die Übernahme einer Schichtleitung genannt, wenn zu wenig Fachkräfte im Dienst sind. Oder es würden ohne Anleitung Tätigkeiten ausgeführt, die nicht dem Ausbildungsstand entsprächen. Ich befürchte, dass viele, die das jetzt hier lesen, eine solche Situation allzu gut kennen. Als Azubi oder als Pflegekraft, als PDL oder WBL oder auch als Einrichtungsleitung. Alle wissen wir, dass wir damit dem Pflegeberuf und der Personalnot einen Bärendienst erweisen. Die Kursleiterin bezog sich auf ihre 55 Azubis.

In meiner Online-Umfrage "Was beschäftigt Pflegekräfte?" gaben mir über 4.000 Pflegekräfte Antworten. Etwa 10 % davon waren noch in der Ausbildung. Und von knapp 400 Azubis wollten nur 70% weiter in der Pflege arbeiten. Was leisten wir uns hier eigentlich? In einer Zeit, in der wir niemanden verlieren dürfen, der sich für den Pflegeberuf interessiert und sogar eine Ausbildung darin macht. Azubis werden schon in der Ausbildung verbrannt. In der Folge kündigen sie schon innerlich, bevor die Ausbildung abgeschlossen ist. "Zu viel Stress, zu wenig Geld" sagen sich viele angehenden Pflegekräfte.

Pflege ist in aller Munde, Minister Spahn reist in den Kosovo, um dortigen Pflegekräften Deutschland schmackhaft zu machen. Das passt für mich, denn Deutschland ist ein Einwanderungsland und wir sind als deutsche Gesellschaft auch auf ausländische Pflegekräfte angewiesen. Aber wir müssen auch hier an vielen Stellen unsere Hausaufgaben machen. Und eine davon ist ganz klar die Situation der Auszubildenden. Ich meine damit, dass Azubis gestärkt werden sollten, solche Arbeitssituationen nicht klaglos hinzunehmen. Dass Altenpflegeschulen in den Einrichtungen deutlich machen müssen, dass Azubis eben noch keine examinierten Kräfte sind. Und dass Einrichtungen ihre Azubis als Lernende und nicht als billige Arbeitskräfte behandeln.