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PUEG und das Verbot der Refinanzierung von Leiharbeit
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Leiharbeit in der Pflege eindämmen. Im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurden entsprechende Regelungen zur Änderung des § 82c SGB XI aufgenommen. Ist das Verbot der Refinanzierung von Leiharbeit der richtige Weg?

Von Roman Tillmann
Das Gesetz wurde am 26.05.2023 vom Bundestag beschlossen. Demnach dürfen Pflegeeinrichtungen die Mehrkosten für den Einsatz von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern künftig im Rahmen der Pflegesatzverhandlung nicht ansetzen. Stattdessen sollen maximal die in der Branche üblichen Tariflöhne als Obergrenze gelten. Auch Vermittlungsgebühren für die Zeitarbeitsfirmen können nicht als wirtschaftlich anerkannt werden.
Es ist sicherlich richtig, dass Maßnahmen gegen die immer weiter ausufernde Zeitarbeit in der Pflege ergriffen werden. Es gibt kaum noch Einrichtungen, die ohne Leiharbeit ihren Personalbedarf decken können. Vielerorts kündigen festangestellte Pflegekräfte, nur um dann über eine Zeitarbeitsfirma wieder in die bekannte Einrichtung verliehen zu werden – für das Pflegeheim zu deutlich höheren Kosten. Der Anreiz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die höheren Löhne und teilweise auch größere Flexibilität in ihren Arbeitszeiten bei der Zeitarbeitsfirma. Anders als in anderen Branchen, wo Zeitarbeiter eine flexible Möglichkeit zur Abfederung von Arbeitsspitzen darstellen, nutzt in der Pflege die Zeitarbeitsbranche den Arbeitskräftemangel aus, und Betreiber sind genötigt, Zeitarbeit für die Aufrechterhaltung des Normalbetriebs einzukaufen.
Verbot zur Refinanzierung löst nicht das eigentliche Problem
Das geplante Verbot, die höheren Kosten der Zeitarbeit in den Pflegesätzen zu refinanzieren, löst unseres Erachtens das eigentliche Problem nicht. In der Gesetzesbegründung steht: Durch die Begrenzung solle vermieden werden, dass „wirtschaftliche Anreize für das Verleihen von Pflege- und Betreuungspersonal auf Kosten der Solidargemeinschaft beziehungsweise der Pflegebedürftigen und ihrer Familien bestehen“. Dabei wird ignoriert, dass nicht wirtschaftliche Anreize dazu führen, dass Pflegeeinrichtungen Leiharbeiter einkaufen, sondern der massive Personalmangel. Zudem werden bereits heute in vielen Fällen die Mehrkosten von Zeitarbeit nicht anerkannt. Sollte das Gesetz wie geplant umgesetzt werden, stehen die Einrichtungen vor der Entscheidung, ganze Wohnbereiche zu schließen oder weiterhin Zeitarbeitskräfte zu höheren und nicht refinanzierten Kosten einzukaufen – beides führt jeweils zu Verlusten. Denn die Pflegesätze sind i.d.R. bei Auslastungen von 95-98% berechnet. Unter Umständen sind die (nicht refinanzierten) Mehrkosten der Zeitarbeit dann sogar der geringere Verlustbetrag und der gewünschte Effekt bleibt komplett aus. Die Einrichtung hat also die Wahl zwischen „Pest und Cholera“ und das eigentliche Problem ist nicht beseitigt. Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung: Dies trage dazu bei, „dass Leiharbeit und vergleichbare Maßnahmen nur zusätzliche Instrumente bleiben, um bei kurzfristigen Personalausfällen und nicht besetzbaren Stellen die vertraglich vereinbarte Personalausstattung vorübergehend sicherzustellen“. Auch dieses Ziel wird durch ein Verbot des Ansatzes in der Pflegesatzvereinbarung nicht erreicht, denn auch diese Mehrkosten für Leiharbeit wären nicht refinanziert.
Dennoch sollte dem Trend der wachsenden Inanspruchnahme von Zeitarbeit entgegengewirkt werden. Aber wie? Ein Verbot der Leiharbeit wäre sicherlich am wirksamsten, ist aber ggf. juristisch nur schwer zu halten und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Pflegekräfte ihren Beruf ganz aufgeben. Besser wäre es, die Arbeitsbedingungen für die Stammbelegschaft zu verbessern, z.B. durch Dienstplankonzepte, die mehr Verlässlichkeit und auch Freizeit ermöglichen (5-Tage-Woche, Ausfallkonzepte). Durch entsprechende Anerkennung von erweiterten Zuschlägen für ungünstige Zeiten und Dienste könnten sogar finanzielle Anreize an die Mitarbeiter weitergegeben werden, die aufgrund ihrer Lebenssituation solche Dienste leisten können (z.B. für geteilte Dienste, Nacharbeit, Einspringprämie, höhere Wochenendzuschläge).
Auch ein Aufweichen der hohen Auslastungsgrade für die Pflegesatzverhandlung oder das Einführen gewisser Karenzzeiten, in denen die Personalschlüssel unterschritten werden dürfen, könnte den Druck aus dem System nehmen. Die Anerkennung von höheren Gewinnaufschlägen könnte etwas Spielraum geben, entweder eine Unterbelegung zeitweise zur Überbrückung der Personalmangelsituation in Kauf zu nehmen oder temporär Zeitarbeit für diese Personalmangelsituation einzusetzen. Im Paket mit dem angedachten Verbot der Refinanzierung der Mehrkosten könnten diese Regelungen den Einrichtungen einen gewissen Spielraum geben, um nicht direkt ins Defizit zu rutschen.
Roman Tilmann ist Partner der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH.
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