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Personalsteuerung nach PSG I und II: Dringender Handlungsbedarf für Pflegeheime
Die Pflegestärkungsgesetze haben die Branche der Altenhilfe grundlegend reformiert. Als wichtigste Steuerungsgröße muss nun die Personalsteuerung an die geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden Die herkömmliche belegungsabhängige Personalsteuerung alleine reicht nicht mehr aus, um den Personaleinsatz langfristig wirtschaftlich erfolgreich auszugestalten.

Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist die Personalsteuerung mit einem Kostenanteil von durchschnittlich rund 80 % der Kosten im Bereich Pflege die wichtigste Steuerungsgröße. Im alten System der Pflegestufen existierte eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit den Personaleinsatz belegungsabhängig zu steuern. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich dieses Modell in das neue System der Pflegegrade übertragen, verhängnisvoll ist es jedoch, wenn das alte System einfach fortgeschrieben wird, ohne den neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
Im früheren System galten in den einzelnen Bundesländern jeweils unterschiedliche Personalrichtwerte, nach denen die vertragskonforme Steuerung des einzusetzenden Personals erfolgte. Ausgehend von der Belegungsstruktur definierten die Personalschlüssel die zur Verfügung stehende Personalmenge. Die Refinanzierung der Personalmenge wurde in den Vergütungsverhandlungen ausgehend von diesen Schlüsseln abgebildet, so dass die Pflegesätze unter Berücksichtigung des einzusetzenden Pflegepersonals auskömmlich waren. Abweichungen der Belegungsstruktur im Jahresverlauf konnten durch eine schlüsseltreue Personalsteuerung kompensiert werden, so dass hierdurch keine wirtschaftlichen Risiken für die Heime entstanden, denn die Personalschlüssel standen in direkter Verknüpfung zu den Pflegeerlösen.
Die Einführung einrichtungseinheitlicher Eigenanteile (EEE) in den Pflegegraden 2-5 führt dazu, dass dieses System in Zukunft in den meisten Bundesländern nicht mehr funktionieren wird. Anstatt wie bisher Pflegesätze zu haben, die ausgehend von den anfallenden Aufwendungen für das vorzuhaltende Personal gestaffelt sind, ergeben sich die Pflegesätze in Zukunft als Summe des EEE und der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung. Die Staffelung der Pflegesätze ist mit den Abstufungen der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung vorgegeben. Die EEE stellen somit einen direkten Eingriff in die Preisbildung stationärer Einrichtungen dar. Der Kunde zahlt jetzt auch bei steigender Pflegebedürftigkeit denselben Zuzahlungsbetrag. Die durch den Leistungsbetrag der Pflegeversicherung mit zunehmenden Pflegegraden gegebene Steigerung des Gesamtentgelts orientiert sich jedoch nicht unmittelbar an den Kosten des Mehr-Personals. Zum Überleitungszeitpunkt sind zwar über alle Pflegegrade hinweg die Personalkosten refinanziert (Der Grund hierfür ist die budgetneutrale Überleitung), dies wird jedoch lediglich durch eine Mischkalkulation kostendeckender und defizitärer Pflegegrade erreicht. Der im vorherigen System direkt gegebene Zusammenhang zwischen der durch die Personalschlüssel definierten Personalmenge und der Höhe der Pflegesätze ist nicht mehr gegeben. Stattdessen stimmt die Definition der Personalmenge über die Schlüssel nicht mehr mit der Refinanzierung durch die Pflegesätze überein.
Grundsätzlich lassen sich die unterschiedlichen vereinfachten Landesverfahren zur Überleitung durch die Unterscheidung des gewählten Verfahrens kategorisieren. In Bayern und Niedersachsen wurde ein Bestimmungsverfahren verwendet, das die Personalschlüssel als Residualgröße von Erlös- und Kosten bestimmt. Der sich hieraus ergebende Betrag steht für die Refinanzierung der Personalkosten zur Verfügung. Ausgehend von diesem Betrag kann somit eine Personalmenge bestimmt werden, die bei der gegebenen Kosten- und Erlösstruktur refinanziert ist. Aus dieser Personalmenge lassen sich dann entsprechende Personalschlüssel je Pflegegrad ableiten. Bei Einhaltung dieser erlösorientierten Schlüssel ist eine wirtschaftliche Personalsteuerung auch unter den neuen Voraussetzungen gegeben.
Für Träger und Einrichtungen, die in den übrigen Bundesländern aktiv sind, ist es hingegen dringend zu empfehlen, die erlösorientierten Personalschlüssel als Kontrollinstanz zu bestimmen. Mit Hilfe dieser kann dann analysiert werden, welche Abweichungen sich ergeben und an welcher Stelle das verwendete Verfahren bei schlüsselgenauer Personalsteuerung zu einer defizitären Personalsteuerung führt.
Abhängig von der jeweils geltenden Landesrahmenvereinbarung ergibt sich somit ein unterschiedlicher Handlungsbedarf. In den Ländern, in denen erlösorientierte Personalschlüssel bestimmt worden sind (Bayern und Niedersachsen) ist eine wirtschaftliche Personalsteuerung auch im neuen System möglich. In einigen Ländern wurden Bandbreiten vereinbart (z.B. Baden-Württemberg) bzw. es wurden landesweit gültige Personalschlüssel einrichtungsindividuell angepasst (NRW). Hier besteht aller Voraussicht nach im Rahmen der nächsten Pflegesatzverhandlungen die Möglichkeit, mit Hilfe des erlösorientierten Verfahrens Personalrichtwerte zu vereinbaren, die ebenfalls eine wirtschaftliche Steuerung ermöglichen. Dieser Prozess muss jedoch aktiv initiiert werden, er stellt sich nicht als Automatismus ein.
Demgegenüber stehen die Bundesländer mit anderen Verfahren, hier kann das alte System nicht einfach weiter verwendet werden. Bei der genaueren Betrachtung bemisst sich das Risiko einer unwirtschaftlichen Steuerung an den verschiedenen Strukturdaten der Einrichtung und der bereits erfolgten Überleitung. Ausgehend von diesen Gegebenheiten kommt der systematischen Analyse der eigenen Situation eine zentrale Bedeutung zu. Die spezifischen Fallstricke müssen erkannt werden und gegensteuernde Maßnahmen ergriffen werden, da sonst die Personalsteuerung nicht mehr funktioniert und wirtschaftliche Risiken drohen. Grundsätzlich gilt: Das Einhalten vorgegebener Personalschlüssel kann nicht länger als Garant dafür angesehen werden, dass der Personaleinsatz auch wirtschaftlich erfolgreich gesteuert wird. Sie müssen als Träger individuell die Situation und Ausgangslage ihrer Einrichtungen prüfen und entscheiden, welche strategischen Konsequenzen abzuleiten sind. Als grundlegende Handlungsempfehlung für die eigene Situationsanalyse gilt nachfolgender Maßnahmenplan:
Abbildung: Maßnahmenplan für die Personalsteuerung im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze
Als Fazit lässt sich somit herausstellen, dass die Personalsteuerung im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze deutlich an Komplexität gewinnt. Mit Hilfe der dargestellten Vorgehensweise lässt sich aber auch unter den unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Bundesländer eine ausreichende Informationsbasis erarbeiten, um eine Neuausrichtung der Personalsteuerung betriebswirtschaftlich sinnvoll zu initiieren. Die vorgestellte Analyse ist umso mehr von aktueller Bedeutung, als dass sich im Zuge der Anpassungen der Landesrahmenverträge weitere Änderungen in Bezug auf die Personalsteuerung ergeben können. Aufgrund der sich abzeichnenden Veränderungen der Belegungsstruktur sollte die Anpassung der Personalsteuerung zeitnah angegangen werden, um eine wirtschaftliche Fehlsteuerung frühestmöglich identifizieren und abwenden zu können. In vielen Fällen wird zukünftig die Personalsteuerung auch durch eine intensive Steuerung der Belegungsstruktur ergänzt werden müssen, der eine deutlich höhere betriebswirtschaftliche Bedeutung zukommt als bisher.
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