Blog
Leiharbeit in der Pflege – Fluch oder Segen?
Und wieder belegt eine Umfrage das Offensichtliche. Diesmal ist es eine Studie der Evangelischen Bank, die herausfindet, dass 60 Prozent der von ihnen befragten Pflegeheime in Deutschland offene Fachkraftstellen haben. Im Durchschnitt sollen pro Heim sechs Stellen unbesetzt sein. Und laut dieser Umfrage hatte jedes fünfte der befragten Heime in den letzten drei Monaten einen zeitweiligen Aufnahmestopp. Grund dafür: der Personalmangel.
Tja, woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Der Markt ist leergefegt. Pflegeheime und Pflegedienste werben sich gegenseitig die Pflegekräfte ab. Man versucht mit An- und auch mit Abwerbeprämien, Pflegekräfte zum Wechsel zu bewegen. Es wird mit Gehaltserhöhungen gelockt. Da ist Druck im Kessel. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen versorgt werden. Und das mit immer weniger Pflegekräften. Oder sagen wir es mal so: mit immer weniger Stammpersonal. In dieser Notsituation entwickelt sich eine boomende Branche: die Zeitarbeit in der Pflege.
In jedem anderen Bereich arbeiten Menschen in Zeitarbeitsfirmen, weil sie auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Stelle finden. Da ist die Hoffnung, über kurz oder lang wieder eine feste Anstellung zu finden. In der Zeitarbeit wird weniger gezahlt, die Arbeitsbedingungen lassen noch viel Luft nach oben.
Ganz anders ist das in der Zeitarbeit – oder Leiharbeit – in der Pflege. Da gehen Pflegekräfte zu Zeitarbeitsfirmen, weil sie dort die Arbeitsbedingungen viel besser finden als in einem festen Arbeitsverhältnis im Pflegeheim. Die Bezahlung ist besser und die Pflegekräfte bestimmen selbst, an welchen Tagen sie eingesetzt werden und auch in welcher Schicht. Ein Holen aus dem Frei, unerfreulicherweise am Wochenende, gibt es da nicht. Das kann zu ganz schönen Verwerfungen innerhalb der Belegschaft führen. Auf der einen Seite die Stammbelegschaft, die sich an Dienstpläne und Vertretungen zu jedem Zeitpunkt halten muss und auf der anderen Seite die Leiharbeiter*innen, die sich – zumindest nach Ansicht der Stammbelegschaft – die Rosinen aus dem Kuchen pickt.
Einrichtungsträger und Pflegeeinrichtungen zahlen horrende Summen, um ihr Stammpersonal mit Mitarbeitenden der Zeitarbeit aufzustocken. In der Not frisst der Teufel eben Fliegen. Ich denke, Zeitarbeit ist als letzter Notnagel wirklich hilfreich. Aber wenn es zum Normalfall wird, dass Zeitarbeit in der Pflege die Fachkraftquote und die Versorgung sichern muss, dann sollte mal die Notbremse gezogen werden. Hier sind die Führungsebenen, aber auch die Politik gefragt. Natürlich geht es um ein höheres Gehalt. Es geht auch um die Arbeitsbedingungen, um Dienstpläne, um Wertschätzung – um die Spitze des Eisberges zu nennen. Und nein, wir können uns keine Pflegekräfte schnitzen. Derzeit sind deutschlandweit rund 38.000 Stellen in der Alten- und Krankenpflege unbesetzt. Und die Zahl der unbesetzten Stellen wird sich noch steigern in den nächsten Jahren. Darum darf die KAP, die Konzertierte Aktion Pflege, kein Rohrkrepierer werden. Es bleibt spannend…
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Sie haben noch kein Konto?
Jetzt registrieren