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Ist Vertrauen gleich Wertschätzung?

Welchen Berufsgruppen schenken wir das meiste Vertrauen? Das hat der GfK-Verein in der aktuellen Studie „Trust in Professions 2018“ ermittelt. Ich nehme es gleich vorweg: Die Politik schneidet am schlechtesten ab. Als ehemalige Berufspolitikerin finde ich das bitter. Aber viel spannender finde ich, wer am besten abschneidet: Feuerwehrleute, Sanitäter und die Pflegeberufe. Ja, die Pflegeberufe. Hier liegen die Vertrauenswerte bei 95 %.

- Elisabeth Scharfenberg, Politikerin

Und das war bei der gleichen Studie im Jahr 2016 genauso. Die nächsten in der Vertrauensskala sind die Ärzte, Bus- und Bahnführer und Piloten. Ich finde diese Vertrauenswerte den Hammer. Ich interpretiere in dieses Vertrauen auch die positive Anerkennung der Arbeit von Feuerwehrleuten, Sanitätern und der professionell Pflegenden. Alle drei Berufsgruppen spielen dann für uns eine Rolle, wenn wir Hilfe und Unterstützung brauchen. Und das drücken die Befragten mit ihrem Vertrauensbonus ganz klar aus. Mir drängt sich an dieser Stelle aber die Frage auf, ob Vertrauen gleich Wertschätzung ist. Wann immer es um den Pflegeberuf und die berufspolitischen Baustellen geht, taucht der Wunsch nach mehr Wertschätzung auf. Aber ist ein Vertrauenswert von 95 % nicht Wertschätzung an der Obergrenze? Also Jammern auf hohem Niveau? Fishing for compliments? Nein, ich glaube nicht.

Ich denke, in der Pflege gibt es eine Innen- und eine Außensicht. Die Außensicht, das ist ein Vertrauenswert von 95 % in unserer Bevölkerung. Da können die Befragten sehr wohl den Wert und die Wichtigkeit der Pflege erkennen. Die Innensicht scheint eine andere zu sein. In meiner Onlineumfrage vor knapp zwei Jahren habe ich gefragt "Was beschäftigt Pflegekräfte?" 4.500 Pflegekräfte nahmen teil. Es ging unter anderem auch darum, ob Pflegekräfte sich im Nachhinein wieder für den Pflegeberuf entscheiden würden. 43 Prozent sagten, sie würden es nicht wieder tun. Im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege sagten sogar 54 Prozent nein.

Und aus welchen Gründen? Bezahlung und der Personalmangel standen – natürlich – an erster Stelle. Zu wenig Zeit für die Pflegebedürftigen und der hohe bürokratische Aufwand wurden ebenfalls von vielen genannt. Entsetzt hat mich aber diese Antwort: Mehr als die Hälfte der Pflegekräfte, die an der Umfrage teilnahmen, fühlen sich von ihrem Arbeitgeber zu wenig wertgeschätzt. Sie haben das Gefühl, dass der Wert ihrer Arbeit – ihr Engagement und ihr Fachwissen – vom eigenen Arbeitgeber nicht anerkannt wird. Und das belastet sie so sehr, dass die fehlende Wertschätzung für rund ein Drittel der Pflegenden sogar einen Grund für einen vorzeitigen Berufsausstieg darstellt. Mangelt es also an Wertschätzung innerhalb des Systems, am eigenen Arbeitsplatz?

An diesem Punkt stellt sich mir die Frage: Wissen die Arbeitgeber das überhaupt? Das heißt, gibt es eine Rückkoppelung zwischen Belegschaft und Führungsetage? Ich denke, solche Umfragen sollten in jeder Pflegeinrichtung stattfinden. Pflegekräfte hätten so die Möglichkeit, Positives und Negatives zu benennen. Und die Arbeitgeber hätten damit die Chance und auch die Pflicht, ihrer Führungsaufgabe gerecht zu werden. Wenn die Bevölkerung der Pflege einen Vertrauenswert von 95 % schenkt, ist das ein klares Wertschätzungs-Statement. In meinen Augen muss es im Interesse jeden Arbeitgebers sein, diese Wertschätzung auch innerhalb der eigenen Einrichtung zu leben.