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Der Super-Gau der Pflege

Der Start ins Jahr 2021 hat turbulent begonnen. Im Lockdown, der sich nun verlängern und verschärfen wird, bleibt die Pflege zurecht im Fokus. Die Intensivstationen kommen an ihre Grenzen, Pflegeheime sind in hohem Maße von Infektionen betroffen.

Elisabeth Scharfenberg
Foto: Michael Farkas Elisabeth Scharfenberg ist Pflegeexpertin. Von 2005 - 2017 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags. 

Pflegekräfte sind täglich dem Coronavirus ausgesetzt. Große Hoffnungen wurden von uns allen in den Impfstoff gesetzt. Und dann beginnt die Impfoffensive mehr als holprig, fehlt Impfstoff an allen Ecken und Enden. Zugegeben, wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Und ich beneide die Entscheiderinnen und Entscheider auf allen Ebenen wirklich nicht. Sie sind an vielen Punkten abhängig von Faktoren, die sie vielleicht gar nicht beeinflussen können, für die sie aber den Kopf hinhalten müssen.

Fakt ist, Pflege ist und bleibt am Limit. Der große Ruck aber bleibt aus. Braucht es denn wirklich Katastrophen-Szenarien, damit sich merklich etwas bewegt? Vor einigen Jahren wurde die Welt erst durch den Super-Gau im Atomkraftwerk in Fukushima auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam. Vor dem Atomunfall wurde das alles kleingeredet und runtergespielt. Die kritischen und mahnenden Stimmen wurden weggelächelt mit dem Hinweis, Atomkraft sei die sicherste Energiequelle der Welt. Und nun haben wir mit der Corona-Pandemie den Super-Gau der Pflege. Covid-19 legt mit traumwandlerischer Sicherheit die Finger in die Wunden, die eigentlich seit Jahrzehnten hätten versorgt werden müssten. Aber genau wie in Fukushima werden wir nun nicht mehr wegschauen und verharmlosen können. Die Politik nicht. Aber auch die Gesellschaft nicht. Eine Gesellschaft, die erst in der eigenen Betroffenheit reagiert. Dann wenn es eng wird.

Gut, dass die Medien ins Handeln kommen. “Wir alle brauchen Pflege in Würde“ so lautet der Titel einer Onlinepetition der Wochenzeitschrift “Stern”. „Es geht um Ihre Kinder, Eltern und Großeltern, um unser aller Zukunft. Wir brauchen gute Pflege. Früher oder später. Deutschland altert schnell und immer mehr Menschen sind im Alltag auf professionelle Pflege angewiesen. Doch in den Krankenhäusern, Heimen und bei den ambulanten Diensten herrscht ein enormer Pflegenotstand. Überall fehlen Pflegekräfte, weil die Arbeitsbedingungen schwer zumutbar sind und das Gehalt oft lächerlich niedrig. Wir alle sind davon akut bedroht: Pflegekräftemangel führt zu schwereren Krankheitsverläufen, mehr Komplikationen und Todesfällen. Unsere Politiker:innen finden seit zwei Jahrzehnten keine wirksame Gegenmaßnahme. Es braucht einen ganz großen Wurf, um den Pflegekollaps noch aufzuhalten. Unser Umgang mit dem Thema Pflege entscheidet darüber, wie menschlich unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert bleibt. Deshalb haben wir diese Bundestags-Petition gestartet,“ schreibt der STERN. Die Petition kann noch bis zum 11.2.2021 unterschrieben werden. Für jeden von uns ein kleiner Aufwand – mit einer hoffentlich großen Wirkung.