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Darf´ s ein bisschen mehr sein?
Dieser Tage erreichte uns alle eine überraschende Nachricht: Es fehlen Pflegekräfte in Deutschland. Und zwar viele. Die Bundesregierung konnte die Ziffer sogar genau benennen. Das hat sie natürlich nicht einfach so gemacht. So nach dem Motto, wir haben uns mal überlegt zu überprüfen, wie viele Pflegekräfte uns fehlen. Hätte sie ja machen können. Hat sie aber nicht. Nein, es war das Ergebnis einer Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag.

Die fragten nämlich nach den unbesetzten Stellen in der Alten- und Krankenpflege. Und siehe da, es werden derzeit etwa 25.000 Pflegefachkräfte gesucht und 10.000 Helferinnen und Helfer. Ein Aufschrei ging durch Deutschland. In jeder Zeitung konnte man davon lesen. Mein lieber Schwan, hab ich gedacht. Sind diese Zahlen jetzt wirklich so überraschend?
Wir haben schon seit Jahren eigentlich kein Erkenntnisproblem. Wir wissen es doch. Es kümmert sich nur keiner um die Lösung. Wie schaffen wir es, die Stellen zu besetzen? Wie schaffen wir es, den Beruf attraktiver zu machen? Familienfreundlicher? Dienstpläne verlässlicher? Endlich Schluss mit dem ewigen Holen aus dem Frei? Löhne, die der verantwortungsvollen Arbeit angemessen sind? Zu diesen Themen haben sich Pflegekräfte aus ganz Deutschland in meinem Buch "Wer soll uns pflegen? Zur Situation der Pflegekräfte" geäußert. Es muss nun endlich mal Schluss sein mit den zögerlichen kleinen Einzelmaßnahmen. Nur "Darf´s ein bisschen mehr sein?" zu fragen und ein paar neue Stellen zu schaffen reicht eben nicht.
Wir müssen endlich genau hinschauen, wo wir mit der Pflege in Deutschland stehen. Die Kleine Anfrage der Grünen nach den unbesetzten Stellen ist da ein guter Anfang und auch ein gutes Beispiel. Es reicht nicht, mal hier und dann mal da rum zu doktern. Mal darf´s ein bisschen mehr für die ambulante Pflege sein und mal für die stationäre. Alles weiße Salbe auf die Wunden der geschundenen Pflege. Wir brauchen nicht nur eine konzertierte Aktion. Nein, wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept, das gnadenlos ehrlich von dem Punkt ausgeht, an dem wir in der Pflege gerade stehen. Und nicht von dem Punkt, an dem wir gerne stehen würden. Nur mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme können wir auch hilfreiche und sinnvolle Maßnahmen auf den Weg bringen. Dafür braucht es Mut und Kraft. Von allen Beteiligten. Bei einer ehrlichen Bestandsaufnahme lässt sich nämlich nichts mehr schönreden und schönrechnen.
Anstatt also alle paar Jahre zu fragen "Darf’s ein bisschen mehr sein?", muss die Gesundheits- und Pflegepolitik die Ursachen für den Pflegenotstand anpacken, denn sonst werden sich auch nicht einmal 8.000 weitere Pflegekräfte finden, die bereit sind, sich diesen Beruf anzutun. Lösen müssen wir die wirklichen Probleme der Pflege – und damit die Probleme, die auf uns alle zukommen, sobald wir krank oder pflegebedürftig werden.
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