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Arbeitskräftemangel: Was Pflegeheime dagegen tun können

Was können Pflegeheime gegen den Arbeitskräftemangel tun? Es braucht ein ganzheitliches und strategisches Vorgehen, um dem Arbeitskräftemangel in der Altenhilfe erfolgreich zu begegnen, so Daniel Beckers und Rebekka Oppermann im Blog auf Altenheim Online.

Daniel Beckers
Foto: rosenbaum nagy Daniel Beckers ist Geschäftsbereichsleiter HR, rosenbaum nagy Unternehmensberatung.

Von Daniel Beckers und Rebekka Oppermann

Die Herausforderungen des Arbeitskräftemangels bestimmen den Alltag von Führungskräften der Altenhilfe und Gesundheits- und Sozialwirtschaft immer stärker. Vor dem Hintergrund, dass die geburtenstarken Jahrgänge (1955-1969) nach und nach aus dem Arbeitsmarkt und den Pflegeheimen ausscheiden, ist nicht mit einer Verbesserung der Situation zu rechnen. Vielmehr wird der demografische Wandel zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Situation führen.
Auf einem Arbeitsmarkt, auf dem noch vor wenigen Jahren Arbeitnehmer:innen um die attraktivsten Stellen konkurrierten, versuchen Arbeitgeber heute mit nahezu allen Mitteln, eine stetig sinkende Anzahl von Arbeitskräften davon zu überzeugen, dass sie der für sie attraktivste Arbeitgeber sind. Trotzdem bleiben immer mehr Stellen unbesetzt. Hieraus resultieren in vielen Fällen zunächst ein erhöhter Einsatz teurer Fremdarbeit und im weiteren Verlauf Platzstilllegungen, die eine erhebliche Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen und Organisationen zur Folge haben. Aber auch für die vorhandenen Mitarbeiter:innen hat die Nichtbesetzung von Stellen erhebliche Auswirkungen: Überarbeitung, Frustration und schließlich Krankheit, auf die in vielen Fällen irgendwann die Kündigung folgt.
Organisationen versuchen sich diesem komplexen Problem zu stellen, indem sie sich auf Karriereseiten, Stellenportalen und Social-Media-Plattformen präsentieren. Zudem ist ein Wettbewerb darüber entbrannt, wer seinen Mitarbeiter:innen das beste Benefit-Paket bieten kann. Werbeagenturen gestalten farbenfrohe, aufwändige und kostenintensive Kampagnen. Trotzdem bleibt der dringend benötigte Strom an Bewerbern oftmals aus. Erschwerend kommt vielerorts hinzu, dass es auch immer Bewerber:innen gibt, deren Bewerbung zwar ihren Weg in die Organisation finden, die sich aber noch im Bewerbungsprozess für einen anderen Mitbewerber entscheiden. Die handelnden Akteure fragen sich, warum trotz ihrer zahlreichen Bemühungen keine ihrer Maßnahmen zu greifen scheint.

Ganzheitliches und strategisches Vorgehen, statt eines Flickenteppichs aus Einzelmaßnahmen
Betrachtet man die ergriffenen Maßnahmen und ihre Durchführung wird klar, dass das Problem meist nicht darin liegt, dass Organisationen sich der Herausforderung verschließen und die sprichwörtlichen Scheuklappen aufsetzen. Vielmehr liegt das Problem zumeist darin, dass es sich bei den ergriffenen Maßnahmen um Einzellösungen handelt, deren Effekte jedoch nicht ausreichen, um den Herausforderungen insgesamt zu begegnen. Um sich diesen wirksam zu stellen ist es zwingend notwendig, sich der Thematik ganzheitlich und strategisch zu nähern. Beispielsweise entfaltet eine neu gestaltete Karriereseite oder eine Stellenanzeige im frischen Look ihre Wirkung nicht, wenn die dort aufgeführten Inhalte nicht für potenzielle Mitarbeitende erlebbar und authentisch sind, oder wenn sie auf ihre Bewerbung erst nach 7 Tagen eine erste Resonanz erhalten. Der Arbeitsmarkt bietet Bewerber:innen aktuell eine so große Auswahl an Alternativen, dass die an Arbeitgeber gestellten Ansprüche deutlich höher geworden sind. Insbesondere jüngere Generationen erwarten von ihren potenziellen neuen Arbeitgebern klare Positionierungen zu Themen wie Sinnstiftung, Wertschätzung und Diversität, aber auch konkrete Angebote zur Förderung einer ausgewogenen Work-Life-Balance.
Will man einer so komplexen Problematik also ganzheitlich begegnen, sollte in einem ersten Schritt zunächst eine Analyse des Status Quo erfolgen: Welche Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken gibt es? Welche heute bereits guten Ansätze können kontinuiert werden und wo besteht Optimierungspotenzial?
In der nachfolgenden Checkliste sind zahlreiche weitere Fragen aufgeführt, mit denen Sie sich im Rahmen der Analyse der Ausgangssituation beschäftigen sollten:

  • Gelingt es Ihnen noch ausreichend Personal zu gewinnen und zu binden?
  • Wie hoch ist Ihre Krankenquote und wie häufig müssen Mitarbeiter:innen einspringen?
  • Wie zuverlässig sind Ihre Dienstpläne, also wie häufig muss eingesprungen werden?
  • Haben Ihre Mitarbeiter:innen eine ausgeglichene Work-Life-Balance?
  • Was tun Sie dafür, damit Ihr Team gesund und motiviert bleibt?
  • Sind Ihre Bestandsmitarbeiter:innen zufrieden? Welche konkreten, echten Mehrwerte bieten Sie ihnen?
  • Schaffen Sie es, dass Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Kulturen erfolgreich zusammenarbeiten?
  • Wie heben Sie sich aktuell von Ihren Mitbewerbern ab?
  • Kennen Sie die Bedürfnisse Ihrer (potenziellen) Mitarbeiter:innen und adressieren Sie diese richtig?
  • Auf welchen Kommunikationskanälen (z. B. Social Media, Internetseite) erreichen Sie potenzielle und vorhandene Mitarbeiter:innen?
  • Sind Sie auch für junge und besonders talentierte Kräfte attraktiv?
  • Welche Unternehmens- und Führungskultur prägt Ihre Organisation? Passt diese noch zur heutigen Zeit?
  • Wie gut funktioniert die Kommunikation? Dringen Ihre Botschaften bis zur Basis durch?
  • Für welche Werte stehen Sie als Arbeitgeber?
  • Zielt Ihr derzeitiges Maßnahmenpaket nur darauf ab neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen oder beinhaltet es auch eine ausreichend Anzahl an Maßnahmen zur Personalbindung?
  • Wie gut und effizient funktionieren die einzelnen Prozesse innerhalb Ihres Personalmanagements?

Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse kann nun die Entwicklung der konkreten Strategie sowie die Umsetzung erfolgen. Unserer Erfahrung nach sollte man hierbei in zwei parallelen Handlungssträngen vorgehen:
1. Entwicklung einer passgenau auf die Organisation zugeschnittenen Arbeitgebermarke (Employer Brand), die im Einklang mit der Unternehmensmarke, Personalstrategie und Führungskultur steht.
2. (Neu)Ausrichtung aller Bereiche des Personalmanagements (Personalgewinnung, -bindung, -entwicklung) durch Optimierung der bestehenden Prozesse sowie die Identifizierung und Verwirklichung neuer Potenziale.

Arbeitgebermarke – Viel mehr als bunte Bilder und leere Versprechen
Bei der Arbeitgebermarkenentwicklung geht es zunächst darum, die Stärken der eigenen Organisation herauszuarbeiten und mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen eine authentische Arbeitgebermarke aufzubauen. Dabei werden die zentralen Herausforderungen in den Bereichen Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung identifiziert und darauf aufbauend ein Zielbild entwickelt, wie zukünftig die Abhebung von Mitbewerbern hergestellt werden kann. Dies kann ein attraktives Angebot an Benefits, ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Work-Life-Balance oder aber ein spezielles Konzept zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter:innen sein. Entscheidend für den Erfolg: Die Maßnahmen und Mehrwerte müssen von den potenziellen und vorhandenen Mitarbeiter:innen als echte Mehrwerte empfunden werden.

Ein Personalmanagement, das Mitarbeiter:innen ab der Bewerbung effektiv begleitet
Im zweiten Handlungsstrang werden zeitgleich die wichtigsten Prozesse des Personalmanagements, wie z. B. der Einstellungsprozess, das Onboarding oder auch die Personalentwicklung, optimiert und neu ausgerichtet. Ziel ist es, die neue Arbeitgebermarke ab dem ersten Kontakt auch in der Realität positiv erlebbar zu machen. Schließlich gibt es nichts schlimmeres, als einen neuen Mitarbeitenden gewonnen zu haben, ihn aber nach kurzer Zeit wieder zu verlieren, weil z. B. nur die fachliche Einarbeitung, aber nicht die menschliche Integration im Rahmen des Onboardings gelungen ist.

Eines ist klar: Auch die ganzheitliche und strategische Herangehensweise wird nicht alle Probleme von heute auf morgen lösen. Aber: Die neu entwickelte Arbeitgebermarke ermöglicht eine positive Darstellung nach innen und außen und gewährleistet eine authentische Erlebbarkeit der Marke, insbesondere auch durch die (weiter)entwickelten Strategien und Prozesse. Die eigene Identität wird greifbar gemacht und kann so strategisch genutzt werden, um beste Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Personalausstattung sowie das positive Arbeits- und Führungsklima auch für die nächsten Jahre sicherzustellen. Dies wird aller Voraussicht nach nicht nur heute und in Zukunft entscheidend zur Personalgewinnung und -bindung beitragen, sondern aller Voraussicht nach den entscheidenden Unterschied zu Mitbewerbern ausmachen.

Daniel Beckers (Diplom-Betriebswirt), Geschäftsbereichsleiter HR, rosenbaum nagy unternehmensberatung, Köln
beckers@rosenbaum-nagy.de

Rebekka Oppermann (Master of Arts), Fachberaterin, rosenbaum nagy unternehmensberatung, Köln
oppermann@rosenbaum-nagy.de