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Wachstum durch Übernahmen? Eine Chance oder viele Risiken?
Mergers & Acquisitions, Due Diligence, Asset- oder Share-Deal, Post-Merger-Integration alles Fremdworte, die man eher mit milliardenschweren Finanzinvestoren, Investmentfonds und der Wallstreet in Verbindung bringt und nicht mit der Altenhilfe. Dem ist nicht so! Auch in der Altenpflege nutzen die Marktteilnehmer Übernahmen, um zu wachsen. Dass die Altenhilfe generell ein wachsender Markt ist, dürfte mittlerweile jeder wissen. Die Phase der stärksten Zunahme der Hochaltrigen ist der Zeitraum zwischen 2015 und 2020, für den deutschlandweit ein Wachstum bei den Über-80-jährigen von gut 25% prognostiziert wurde – wir sind also mittendrin!

Nicht nur private Pflegeheimketten, sondern auch viele freigemeinnützige Träger haben ihre strategische Stoßrichtung für die Altenhilfe auf "Wachsen" gestellt. Will man schneller wachsen als der Markt, bieten Übernahmen gute Chancen. Zudem kann mit einer Übernahme eins der größten Wachstumshemmnisse der Pflegebranche umgangen werden – der Personalmangel. Gelingt es, das übernommene Unternehmen gut zu integrieren, hat man auf einen Schlag viele neue Mitarbeiter gewonnen. Natürlich werden teilweise nicht unbeträchtliche Kaufpreise bezahlt. Hält man die Investitionen in eine neu errichtete Einrichtung mit Anlaufverlusten dagegen, können die Kaufpreise trotzdem niedriger sein.
Da der Pflegemarkt immer noch ein atomistischer Markt mit vielen kleinen Anbietern ist, gibt es genügend Chancen für Übernahmen. Meistens aufgrund des altersbedingten Ausscheidens eines Pflegedienstinhabers, manchmal auch aus wirtschaftlichen Gründen, weil Einrichtungen Verluste schreiben.
Eine Übernahme erfordert aber viel Managementaufmerksamkeit. Vor einer Übernahme sollte eine tiefgehende Prüfung des Kandidaten erfolgen, die sogenannte "Due Diligence". Diese sollte mit der notwendigen Geschwindigkeit und Professionalität durchgeführt werden.
Hauptaufgabe ist es dabei, die Chancen und Risiken zu identifizieren und zu bewerten, und eine Projektion der Gewinne und Cashflows in Übernahmeszenarien durchzuführen, um daraus einen realistischen Kaufpreis abzuleiten. Schließlich soll ja nicht die Katze im Sack gekauft werden.
Im ersten Schritt empfiehlt sich eine Art "Grob-Due-Diligence" bei der die wichtigsten Chancen und Risiken bewertet werden und die Modalitäten der Übernahme abgestimmt werden. Ergeben sich hier schon gewisse K.O.-Kriterien, kann der Prozess noch abgebrochen werden, ohne dass viel Zeit und Geld investiert wurde. Wir erstellen hier eine erste Markt- und Nachfrageanalyse und Prüfen die Jahresergebnisse auf Auffälligkeiten. Die wichtigsten Verträge, wie Miet- und Pachtverträge, werden ebenfalls geprüft.
Anschließend findet die eigentliche Due Diligence statt, bei der verschiedene Fachdisziplinen mit- und nebeneinander arbeiten:
- Financial Due Diligence: Analyse der GuV, Bilanz, Jahresabschlüsse, Kostenstellenergebnisse
- Commercial Due Diligence: Analyse der Markt- und Nachfragesituation und der internen Abläufe zur Leistungserbringung (wie Personaleinsatz und -steuerung, Qualitätsmanagement, interne Aufbau- und Ablauforganisation)
- Legal Due Diligence: rechtliche Bewertung aller Verträge, drohenden Verfahren, Arbeitsverhältnisse, Betriebsvereinbarungen, Gesellschaftervereinbarungen
- Tax Due Diligence: Analyse möglicher steuerlicher Risiken oder Folgekosten
- Technical/Enviromental Due Diligence: werden Anlagen und Gebäude übernommen, empfiehlt sich eine technische Prüfung durch entsprechende Spezialisten
Wichtig bei der Due Diligence ist die Prüfung auf sämtliche vorhandene Risiken, sei es aus Vertragskonstellationen, laufenden Verfahren oder arbeitsrechtlichen Vereinbarungen. Außerdem muss der Betrieb und die Leistungserbringung intensiv untersucht werden, um die nachhaltig aus dem Betrieb zu erzielenden Überschüsse ermitteln zu können. Bei der Übernahme von privaten Trägern in einen tarifgebundenes Käuferunternehmen ist dabei die Simulation der Tarifüberleitung für alle Mitarbeiter von Bedeutung. Häufig schmelzen die Überschüsse dadurch zusammen, selbst wenn gleichzeitig eine Simulation der Pflegesätze auf Basis der neuen Kostenstruktur erfolgt. Nicht selten werden Gewinne erzielt, indem die Mitarbeiter tatsächlich geringer bezahlt werden, als in der Pflegesatzverhandlung angesetzt. Die Erweiterung des §115 SGB XI soll diese Form der Gewinnerzielung nun beseitigen. Es gibt jedoch noch relativ wenig Unternehmen, die aufgrund einer Prüfung tatsächlich eine Absenkung des Pflegesatzes erfahren haben, weil sie zu geringe Löhne gezahlt haben. Die Gewinne, die bei einer Übernahme vorgelegt werden, stammen alle noch aus einer Zeit, in der dies nicht überprüft wurde. Somit sind im Vorfeld des Kaufs durchaus komplexe Businessplanungen aufzustellen und die Ergebnisse in verschiedenen Szenarien zu simulieren. So kann der Käufer sich ein umfassendes Bild von einem für ihn realistischen Kaufpreis machen.
Aber auch nach dem Kauf eines Unternehmens bedarf es besonderer Aufmerksamkeit. Die sogenannte Post-Merger-Integration ist mindestens genauso wichtig, wie die gewissenhafte Prüfung im Vorfeld des Kaufs. Um die im Vorfeld geplanten Synergien tatsächlich zu realisieren, müssen die Veränderungs- und Anpassungsprozesse in beiden Unternehmensteilen angestoßen und vorangetrieben werden. Auch das Harmonisieren der Unternehmenskulturen muss gut begleitet werden. Man hat nichts gewonnen, wenn die Mitarbeiter des übernommenen Unternehmens kurze Zeit später kündigen und sich neue Arbeitgeber suchen. Nicht zuletzt sollte die Öffentlichkeitsarbeit den gesamten Prozess begleiten, um möglichst wenig Irritation bei den Kunden und Zuweisern zu verursachen.
Roman Tillmann (Diplom-Kaufmann, Geschäftsführender Partner bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH), E-Mail: tillmann@rosenbaum-nagy.de, Telefon 0221 – 5 77 77 50
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