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Tariftreue: Pflegebedürftigen drohen Mehrbelastungen

Ab dem 1. September 2022 müssen bundesweit alle Pflege- und Betreuungskräfte an einen Durchschnittstarifwert angelehnt bezahlt werden – so sieht es die Tariftreueregelung nach dem GVWG vor. In Berlin nehmen dies Senat, Pflegekassen und Leistungserbringer zum Anlass, in einer Pressemitteilungen gemeinsam vor steigenden Kosten für Pflegebedürftige zu warnen. Vom Bundesgesetzgeber fordern sie eine Finanzreform der Pflegeversicherung.

Foto: Domoskanonos_AdobeStock Senat, Kassen und Leistungserbringer in Berlin weisen darauf hin, dass durch im Zuge der Tariftreueregelung nach GVWG steigenden Löhne die Preise in der Pflege zum 1. September 2022 deutlich steigen werden - in Berlin um durchschnittlich 20 Prozent bei den nicht tarifgebundenen Einrichtungen und Diensten.

Im Zuge des Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) gehen für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei bislang nicht tarifgebundenen Einrichtungen und Diensten mit der Tariftreueregelung erhebliche Lohnsteigerungen einher –  im Durchschnitt um circa 20 Prozent, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, der Landesverbände der Pflegekassen sowie der Verbände der Leistungserbringer. Die Verfasser:innen begrüßen die Lohnverbesserungen, „da sie den Pflegeberuf noch attraktiver machen sollen und das Ziel verfolgen, mehr Menschen zu einer Ausbildung in der Pflege zu motivieren“. Durch die Lohnanpassungen würden die Preise in der Pflege zum 1. September 2022 aber deutlich steigen, im Land Berlin um durchschnittlich 20 Prozent bei den nicht tarifgebundenen Einrichtungen und Diensten. „Da die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung unverändert bleiben, werden die Kosten zur Umsetzung des Bundesgesetzes von den pflegebedürftigen Menschen mit deutlich stärker steigenden Eigenbeteiligungen zu tragen sein“, stellen die Verfasser:innen fest.

Senatorin Grote: Reform muss Pflegebedürftige spürbar finanziell entlasten

„Pflege nimmt in unserer alternden Gesellschaft eine sehr wichtige Funktion ein und muss besser bezahlt werden, das ist ganz klar. Gleichzeitig bedeutet die gesetzliche Änderung eine finanzielle Mehrbelastung für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen“, stellt Berlins Pflegesenatorin, Ulrike Grote, fest. Gute Pflege dürfe aber auch künftig nicht zum Armutsrisiko werden, so die Grünen-Politikerin. „Daher setzt sich das Land Berlin mit Nachdruck für eine schnelle Umsetzung der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Reform der Pflegeversicherung ein und hat dies auch gegenüber dem Bundesgesundheitsminister zum Ausdruck gebracht. Diese muss endlich eine spürbare finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen bringen“, so Grote.

Federführend für die Umsetzung des GVWG bei den Berliner Pflegekassen sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost: „Man stelle sich vor, Eltern von Kita-Kindern müssten höhere Kita-Beiträge bezahlen, weil die Erzieherinnen ihrer Kinder eine Lohnerhöhung bekommen. In Berlin undenkbar – hier sind Kita-Beiträge ja abgeschafft worden. Aber genau das, was bei Berliner Kita-Kindern undenkbar ist, droht nun den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen: Auf sie kommen höhere Eigenanteile zu, weil die vorige Bundesregierung eine Lohnerhöhung für Pflegekräfte beschlossen hat, ohne sich um die Gegenfinanzierung zu kümmern. Der neue Bundesgesundheitsminister muss das nun dringend korrigieren. Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen müssen endlich wirksam und dauerhaft reduziert werden. Es muss dringend zeitnah eine nachhaltige Finanzierungslösung für die Pflegeversicherung geben.“

Dietmar Schmidt, Landesbeauftragter des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) in Berlin und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Ambulante Pflege, erklärt: „Pflegekräfte haben für ihre gute Arbeit auch gute Löhne verdient. Die politisch gewollten und gesellschaftlich geforderten Lohnsteigerungen führen zu deutlich höheren Preisen. Diese müssen von den Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und den Sozialhilfeträgern gezahlt werden, solange die Pflegekassenleistungen nicht erhöht werden. Bisher hat der Bundesgesetzgeber das diesen Betroffenen weder klar gesagt noch für höhere Leistungen aus der Pflegeversicherung gesorgt oder diese konkret in Aussicht gestellt. Überbringer dieser Nachricht werden in den nächsten Wochen die Pflegeeinrichtungen sein müssen, auch wenn die Verantwortung eindeutig nicht bei ihnen liegt.“