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Tariftreue: 90 Prozent der Einrichtungen haben rückgemeldet
Zum Start der Tariftreueregelung in der Altenhilfe zum 1. September haben 90 Prozent aller Einrichtungen hierzu eine verpflichtende Rückmeldung abgegeben, berichtet der Bundesverband der AOKen. Die Umsetzung der Regelung sei auf einem guten Weg, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands der Deutschen Presse-Agentur. Welche „Kaskade“ von Sanktionen Pflegeeinrichtungen nun drohen, die nicht fristgemäß rückgemeldet haben, beschreibt der AOK Bundesverband hier auf Nachfrage der Redaktion Altenheim.

Angesichts der ab dem 1. September geltenden verpflichtenden Tarifbezahlung in der Altenpflege hat der Sozialverband VdK immer weitere Belastungen für Pflegebedürftige kritisiert. „Die Politik hat es versäumt, die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften – die wir natürlich begrüßen – auch vernünftig gegenzufinanzieren“, sagte Präsidentin Verena Bentele. Viele Einrichtungsträger und Dienste-Anbieter reichten die Kosten daher an die Pflegedürftigen weiter.
Inzwischen haben rund 90 Prozent aller Einrichtungen eine entsprechende verpflichtende Rückmeldung zur Tariftreue abgegeben, wie der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Zum Ende einer Frist zum 30. April waren es 78 Prozent gewesen. Seitdem gingen knapp 9900 Nachmeldungen von Einrichtungen zur Umsetzung der Regelungen ein. “Die Tariftreue ist ab dem 1. September Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen. Bezahlen Pflegeanbieter ihre Beschäftigten nicht nach Tarif oder in der regional üblichen Tarifhöhe, kann dies ein Grund für die Kündigung des Versorgungsvertrages sein”, erinnert das AOK Magazin G+G hierzu in seinem Newsletter vom 30. August.
Auf Nachfrage der Redaktion ALTENHEIM erklärt der AOK Bundesverband das weitere Vorgehen gegenüber Pflegeeinrichtungen, die ihrer Meldepflicht nicht fristgemäß bis zum 1. September nachgekommen sind: “Für den Fall, dass Pflegeeinrichtungen die Zulassungsvoraussetzung der Bezahlung in Tarifhöhe zum 1. September 2022 noch nicht erfüllen, ist in den untergesetzlichen Normen eine Kaskade von Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen. Zunächst einmal werden die Einrichtungen, die ihre Meldung zur Tariftreue nicht fristgerecht abgegeben haben, von den Landesverbänden der Pflegekassen angeschrieben und nochmals aufgefordert, eine Meldung abzugeben. Falls die jeweiligen Pflegeeinrichtungen nicht auf diese Anforderung reagieren, können die Namen der Pflegeeinrichtungen, die ihre Mitteilung bisher nicht, nicht richtig oder nicht vollständig abgegeben haben, von den Pflegekassen auf einem Internetportal veröffentlicht werden (so lange, wie die Pflichtverletzung andauert). Als weitere Sanktionsmöglichkeit sind Strafzahlungen in Höhe von bis zu 15.000 Euro möglich.
Falls diese Schritte nicht zur Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen führen und die Einrichtungen nicht nur vorübergehend (in der Regel mehr als drei Monate lang) die Zulassungsvoraussetzung der Bezahlung mindestens auf Tarifniveau nicht erfüllen, ist als „Ultima ratio“ die Kündigung des Versorgungsvertrages möglich. Diese müsste von den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den Sozialhilfeträgern ausgesprochen werden. Die Kündigung des Versorgungsvertrages greift jedoch nicht sofort, sondern wirkt nach den gesetzlichen Vorgaben erst nach einem Jahr. In dieser Zeit hat die Einrichtung die Gelegenheit, sich zu bewähren und die Zulassungsvoraussetzungen doch noch zu erfüllen, damit die Kündigung zurückgenommen werden kann.”
Es bestehe also aufgrund der oben beschriebenen „Kaskade“ von Sanktionen keine Gefahr, “dass die Versorgung von Pflegebedürftigen ab 1. September 2022 akut gefährdet ist”, unterstreicht ein Pressereferent des AOK Bundesverbands gegenüber ALTENHEIM.
Reimann: Finanzielle Auswirkungen unklar
Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sagte der dpa, für die Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen seien die Regelungen zur Tariftreue mit einem erheblichen Aufwand verbunden. „Aber die Umsetzung ist auf einem guten Weg.“ Grundsätzlich werde das Ziel einer angemessenen Bezahlung der Beschäftigten in der Pflege unterstützt. Unklar seien aber die genauen finanziellen Auswirkungen.
„Fest steht, dass höhere Löhne auch zu höheren Kosten führen werden“, erläuterte Reinmann. „Es besteht die Gefahr, dass sie in Form höherer Eigenanteile auf die Pflegebedürftigen abgewälzt werden.“ Angesichts der dramatischen Finanzlage der Pflegeversicherung, die ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, seien dringend nachhaltige Lösungen nötig.
Um zur Versorgung zugelassen zu werden, haben Einrichtungen laut Bundesgesundheitsministerium nunmehr drei Möglichkeiten: Sie können selbst einen Tarifvertrag abschließen, mindestens entsprechend eines regional anwendbaren Tarifvertrags bezahlen oder mindestens in Höhe des Durchschnitts aller Tariflöhne in der Region entlohnen. Der AOK-Bundesverband hat eine Zusammenführung und Plausibilisierung der Rückmeldungen der Pflegeeinrichtungen übernommen.
Zur Finanzierung stieg der Pflegebeitrag für Menschen ab 23 Jahre ohne Kinder bereits von 3,3 auf 3,4 Prozent. Der Bund gibt zudem nun jährlich eine Milliarde Euro als Zuschuss in die Pflegeversicherung. Teil der Reform sind auch Entlastungen für Heimbewohner bei selbst zu zahlenden Anteilen. Sie bekommen seit Jahresbeginn neben Zahlungen der Pflegekasse einen Zuschlag, der mit der Pflegedauer steigt.
VdK-Präsidentin Bentele verwies auch auf Erhöhungen für steigende Energiekosten. Für viele Pflegebedürftige bleibe nur der Gang zum Sozialamt. „Wir befürchten zudem, dass viele zu Hause Gepflegte auf Leistungen verzichten.“ Die Pflegeversicherung müsse endlich alle Pflegeleistungen übernehmen.
Schreiben Sie uns Ihre Erfahrung
Wie sind Ihre Erfahrungen als Einrichtungsleitung mit den Kostenträgern und Bewohner:innen rund ums Thema Tarifpflicht? Schreiben Sie uns an steve.schrader@vincentz.net. Wir werden in Altenheim und CAREkonkret darüber berichten.
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