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Regressrisiko bei Personalunterschreitung: Vereinbarung nach § 115 SGB XI beschlossen

Am 22.12.2017 wurde die “Vereinbarung nach § 115 Abs. 3b SGB XI über das Verfahren zur Kürzung der Pflegevergütung nach § 115 Abs. 3 und 3a SGB XI” durch eine einvernehmliche Einigung im Qualitätsausschuss (§113b SGB XI) beschlossen. Stark vereinfach dargestellt, regelt diese Vereinbarung die Rahmenbedingungen der Entgeltkürzung bei Personalmengenunterschreitung oder einer Unterschreitung der verhandelten Personalkosten im Bereich der Altenhilfe.

Tillmann Roman
- Roman Tillmann, rosenbaum nagy

Mit dem Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften wurde im Sommer 2017 das SGB XI im § 115 geändert. Ich hatte darüber bereits im Blogbeitrag vom 20.09.2017 berichtet. Die neuen Absätze 3a und 3b waren jedoch so vage formuliert, dass es nicht absehbar war, in welcher Schärfe die Kürzungsmöglichkeiten auch Anwendung finden würden.

Zur Konkretisierung gemäß § 115 Abs. 3b SGB XI wurde die vorliegende Vereinbarung getroffen. Die Vereinbarung stellt eine weitere Verschärfung des Kontrollinstrumentariums in der Altenhilfe dar, enthält gleichzeitig aber auch in einigen wichtigen Aspekten Relativierungen in Bezug auf die Umsetzungsschärfe der Vergütungskürzungen. Für die letztendliche Umsetzung fehlen allerdings weiterhin wichtige Detailregelungen.

Die Kernelemente der Vereinbarung sind folgende:

  1. Planmäßige und zielgerichtete Unterschreitung der Personalausstattung: Personalmengenabweichung nicht nur temporär oder geringfügig und keine Gegenmaßnahmen ergriffen
  2. Nicht nur vorübergehende Unterschreitung der Personalausstattung: über mehrere Monate, erhebliche Unterschreitung, natürliche Schwankungen nicht miteinbezogen (z.B. aufgrund nicht absehbarer Belegungsschwankungen)
  3. Nichtzahlung der vereinbarten Gehälter:Nichtbezahlung der vereinbarten Grundlage, Prospektivität der Verhandlungen wird berücksichtigt.

Eine Entgeltkürzung wegen planmäßiger und zielgerichteter Unterschreitung der Personalausstattung wird dann angenommen, wenn sich der Träger durch das Unterschreiten der Personalvorgaben gezielt einen Vorteil verschaffen will. Im Umkehrschluss sollen gezielte Maßnahmen zur Einhaltung der Personalausstattungsvorgaben als Initiative der Träger gewertet werden, die gegen eine zielgerichtete Unterschreitung sprechen.

Die Entgeltkürzung wegen einer nicht nur vorübergehenden Unterschreitung der Personalausstattung droht, wenn über mehrere Monate hinweg eine erhebliche Personalmengenunterschreitung (nicht geringfügig) vorgelegen hat.

In beiden vorgenannten Fällen muss die Personalvorgabenunterschreitung über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) in einem erheblichen Umfang vorgelegen haben. "Natürliche" Schwankungen der Personalmenge sollen nicht mit in den Personalmengenabgleich einbezogen werden (Belegungsstruktur- und Personalschwankungen). Bei der Bewertung der Unterschreitung ist ein ggf. vorliegender temporärer Personalmengenüberhang in einem angemessenen Zeitraum entsprechend zu berücksichtigen.

Für den konkreten Personalmengenabgleich gibt es noch keine genaue Berechnungsvorlage, das Verfahren zum Abgleich der Personalmenge – und somit DAS zentrale Beurteilungsinstrument für die Bestimmung einer Entgeltkürzung – wurde auf die Rahmenvertragspartner auf Landesebene delegiert. Sollten in Zukunft im Rahmen der Regelprüfungen nach § 114 SGB XI Hinweise auf eine Personalunterdeckung festgestellt werden, kann der Personalabgleich angeordnet werden. Leider sind somit keine weiteren Details zur Berechnung des Abgleichs bekannt, z.B. über den Umgang mit angefallenen Überstunden.

Der letzte Grund für das Durchführen einer Vergütungskürzung ist die Nichtzahlung der vereinbarten Gehälter. Wenn ein Träger seinen Arbeitnehmern nicht die vereinbarte Grundlage zahlt, besteht ein Anspruch auf Vergütungskürzung.

Ebenfalls ungeklärt bleibt der genaue Umfang der Entgeltkürzungen. Die Details des Verfahrens zur Kürzung der Entgelte werden von den Vertragspartnern nach § 85 Abs. 2 SGB XI (Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Trägerarbeitsgemeinschaften) gesondert vereinbart. Die Abstimmung über die Höhe der Entgeltkürzung muss einvernehmlich erfolgen, die Schiedsstelle kann bei Dissens eingeschaltet werden.

Es lässt sich somit festhalten, dass die vorliegende Vereinbarung bestimmte Rahmenbedingungen der zukünftigen Entgeltkürzung definiert, andere zentrale Fragestellen (Höhe der Entgeltkürzung und Verfahren zum Personalabgleich) jedoch weiterhin offen lässt.

Aus Träger-Perspektive sollte dementsprechend wahrgenommen werden, dass die Vereinbarungspartner bestimmte Parameter definiert haben, die eine Personalmengenunterschreitung rechtfertigen. Um diese Parameter bei einer möglichen Prüfung nachweisen zu können bzw. relevante Unterschreitungen zu vermeiden, bedarf es wichtiger Anpassungen bestehender Steuerungs- und Controlling-Instrumente. Die Personalsteuerung nach jährlich festgelegten Stellenplänen wird nicht ausreichen, um den neuen Nachweisanforderungen gerecht zu werden. Zukünftig müssen Belegungs-, Personaleinsatz- und Finanzdaten in einem systematischen Personalcontrolling zusammengefasst werden. Die zunehmende Komplexität der geltenden Rahmenbedingungen sollte sich unbedingt auch in einer Verbesserung Ihrer internen Steuerungsinstrumente abbilden – nur so können Sie langfristig Ihre unternehmerische Handlungsfähigkeit bewahren.

Roman Tillmann (Diplom-Kaufmann, Geschäftsführender Partner bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH), E-Mail: tillmann@rosenbaum-nagy.de, Telefon 0221 – 5 77 77 50

Weitere Informationen zur Unternehmenssteuerung nach den Pflegestärkungsgesetzen finden Sie hier: http://www.rosenbaum-nagy.de/psg-check.html