Qualität
Qualitätsprüfung und Pflegegrade: Wie Pflegeheime das QM neu strukturieren
Die neuen externen Qualitätsprüfungen und der indikatorengestützte Ansatz werden viele Einrichtungen stark fordern. Beraterin Heike Jurgschat-Geer erläutert hier im Interview und auf dem Altenheim Management Kongress am 21. September 2022, wie sich Pflegeeinrichtungen darauf vorbereiten können.

Frau Jurgschat-Geer, die neuen externen Qualitätsprüfungen und der indikatorengestützte Ansatz werden vielen Einrichtungen stark fordern. Das Verfahren ist neu, durch die Pandemie sind viele Dinge durcheinander bzw. aus dem Fokus geraten und das Qualitätsmanagement muss umstrukturiert werden, um die neuen Anforderungen erfüllen zu können. Wie können sich Pflegeheime darauf vorbereiten?
Die neuen Verfahren sind prozessorientiert und erfordern auch in der Praxis ein entsprechendes Verständnis. Es reicht z.B. nicht mehr aus, bei jedem zu pflegenden Menschen festes Schuhwerk zur Sturzprophylaxe „nach Standard X“ geplant zu haben. Vielmehr kommt es jetzt darauf an, ausgehend vom Pflegebedarf und den individuellen Risikoeinschätzungen passgenaue Maßnahmen zu vereinbaren und die erzielten Ergebnisse – auch indikatorengestützt – zu analysieren. Damit wird insgesamt der Pflegeprozess in seiner praktischen Umsetzung gestärkt und der Fokus wird mehr auf den zu pflegenden Menschen und weniger auf formale Konzepte und Standards gerichtet. Nicht so richtig förderlich sind derzeit die zum Teil sehr formalen Umsetzungsschritte mit der statistischen Plausibilitätsprüfung. So erhielten viele Einrichtungen die Rückmeldung, dass ihre eingereichten Daten nicht ausreichend plausibel seien. Das Problem dabei liegt aber vielfach nicht in der Datenqualität der Einrichtungen, sondern in den vorab definierten Algorithmen für die Plausibilitätsbewertung, die einfach falsch bzw. ungeeignet sind. Solche Verwerfungen führen natürlich nicht nur zu einem zusätzlichen Arbeitsaufwand, sondern auch zu einer großen Verunsicherung im Umgang mit einem neuen System.
Im Mai 2021 wurden die Begutachtungsrichtlinien in einer dritten aktualisierten Auflage veröffentlicht, die auch sprachliche Präzisierungen zu den Kriterien in den einzelnen Modulen beinhaltet. Diese Neuerungen haben es in sich – größtenteils zum Nachteil von Pflegebedürftigen und Einrichtungen. Insgesamt ist das “Punktesammeln” schwieriger geworden, in manchen Modulen ist die Punktevergabe sehr reduziert oder gar verhindert. Es sind zum Beispiel hohe Hürden für die Pflegegrade 4 und 5 entstanden, oder?
Die Intention der Präzisierungen liegt darin, mögliche individuelle Interpretationsspielräume der Gutachter zu reduzieren und dadurch die Begutachtung „objektiver“ zu machen. Das ist grundsätzlich im Sinne der Versicherten und der Leistungsgerechtigkeit. Allerdings zeigen die vorgenommenen Klarstellungen starke Ähnlichkeiten mit alten abgeschafften Vorgaben wie beispielsweise dem Assessement zur Feststellung erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und dem Geist, unter denen diese im letzten Jahrhundert entwickelt wurden. Tendenziell führen die vorgenommenen Präzisierungen eher zu einem geringeren Pflegegrad. So wurde insbesondere im Modul 6 nicht nur präzisiert, sondern neu interpretiert. Galt es bislang, die praktische Fähigkeit zur Tagesgestaltung einzuschätzen, ist nun grundsätzlich nur noch die kognitive Fähigkeit zur Planung zu bewerten. Von diesem Grundsatz werden dann einzelne eng begrenzte Ausnahmen formuliert. Es besteht die Gefahr, dass in Summe die Teilhabeorientierung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gänzlich verloren geht. Das Begutachtungsinstrument dient ja nicht nur der versicherungsrechtlichen Bemessung der Schadenshöhe in Form des Pflegegrades, sondern auch der Erfassung der Ist-Situation zur Definition des Pflegebedarfs und zur Messung der Pflegequalität im individuellen Pflegeprozess. Darüber hinaus fungieren einzelne Kriterien und Module als Trigger für die erforderliche Qualifikation der Pflegenden zur Leistungserbringung.
Am 21. September 2022 erläutern Sie dieses wichtige Thema auf dem Altenheim Management Kongress. Was dürfen die Teilnehmenden erwarten?
Ich werde an praktischen Beispielen zentrale Eckpunkte, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Pflegegradmanagement, Qualitätsprüfung, Indikatoren und Arbeitsorganisation beleuchten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, frei nach Antoine de Saint-Exupéry aus den einzelnen Teilen das Puzzle zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Dann lassen sich strategische und praktische Fragen zur Ausrichtung der Organisation und des Qualitätsmanagements lösungsorientiert diskutieren, konkrete Maßnahmen in ihren Wirkungen bewerten und weitere Neuerungen wie beispielsweise die Auswirkungen des neuen Betreuungsrechts geschmeidig integrieren.
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