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Pflegereform: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Tarifpflicht, Begrenzung der Eigenanteile, neue Versorgungsformen: Der Mitte März bekannt gewordene Arbeitsentwurf einer Pflegereform aus dem Bundesgesundheitsministerium sorgt in der Branche für kontroverse Diskussionen und viele Fragen. Viele davon haben wir im Rahmen des Altenheim Webinars „Pflegereform 2021“ Mitte April beantwortet. Hier zeigen wir Ihnen nochmals die wichtigsten Fragen und Antworten.

Mehr als 250 Leser:innen haben am 16. April am Webinar “Pflegereform 2021” der Fachzeitschrift Altenheim teilgenommen. Spannender Nachtrag in aktuellster Angelegenheit ist hierbei, dass sich derzeit abzeichnet, dass einzelne Aspekte der Pflegereform (Tarifzwang als Zulassungsvoraussetzung und Deckelung der Eigenanteile) es vielleicht doch noch in dieser Legislaturperiode in die Umsetzung schaffen werden. Was nach dieser akuten Entwicklung sowie den spannenden Diskussionen und vielfältigen Rückfragen klar wird: Die zentralen Reformaspekte stellen wieder nur eine Übergangslösung dar, das Adressieren der zu Grunde liegenden Probleme wird erst einmal weiter aufgeschoben. Hoffen wir, dass sich hier noch mehr konstruktive Gesetzgenungsdynamik entfaltet.
Wie auch immer sich die Reformansätze in den nächsten Wochen weiter entwickeln, werden wir Ihnen hier gerne jeweils die aktuellsten Veränderungen vorstellen.
Da im Rahmen des Webinars nicht alle Fragen behandelt werden konnten, habe ich hier alle Fragen gesammelt, geclustert und beantwortet. Ich hoffe, dass so keine Frage offen bleibt! Falls doch noch Fragen offen sein sollten, zögern Sie nicht, dies unten in den Kommentaren aufzugreifen bzw. mich direkt anzuschreiben (sloane@rosenbaum-nagy.de).
Veranstaltungstipp: Details zur geplanten Pflegereform stelle ich auch auf der Online Veranstaltung der Zeitschrift Altenheim “Neue Wege – Wohnen im Alter: Vom Pflegeheim zum integrativen Wohnquartier” am 22. und 23 Juni vor. Hier lesen Sie mehr zum Programm und der Anmeldung.
Jetzt zu den Fragen:
Fragenkomplex 1: Tarifnachweis und Versorgungsverträge
Kurze inhaltliche Einleitung:
Mit dieser Neuregelung (§72 Arbeitsentwurf SGB XI) wird zukünftig die Vergütung der Mitarbeitenden des Pflege- und Betreuungsdienstes nach tarifvertraglichen Regelungen zur Voraussetzung für den Abschluss von Versorgungsverträgen. Nachdem die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages zunächst gescheitert ist, kann in dieser Formulierung eine Art abgeschwächter Kompromiss gesehen werden. Abgeschwächt deshalb, weil nicht ein bestimmter Tarifvertrag vorgeschrieben wird und im Zweifelsfall auch der Nachweis einer „ortsüblichen“ Entlohnung ausreicht. Somit bleiben Graubereiche, in denen voraussichtlich auch in Zukunft ein Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Löhne bleibt.
Frage 1: Müssen alle bestehenden Verträge neu abgeschlossen werden? Oder mit welchem Prozess/Verfahren ist hier zu rechnen?
Antwort: Der Arbeitsentwurf sieht im §72 Abs 3b (Arbeitsentwurf SGB XI) vor, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen bis zum 1. Oktober 2021 die Verfahrens- und Prüfgrundsätze für die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen festlegen soll. Hierin müssen dann auch die sonstigen Regelungen (Besitzstandschutz, Umgang mit sonstigen Einrichtungen sowie das Übergangsprocedere) definiert werden. Allein aus der Perspektive verfügbarer Personalressourcen bei den für die Prüfung in Frage kommenden Organisationen, ist nicht davon auszugehen, dass beim Übergang alle Einrichtungen neu überprüft werden können. Da jedoch auch die Nachweispflichten in das Zulassungsverfahren ‚verschoben‘ wurden, gehe ich aktuell davon aus, dass es wahrscheinlich irgendein systematisch-regelmäßiges Prüfverfahren zur Kontrolle der Auszahlung der tariflichen Gehälter geben wird. Ein Umstand, der wiederum deutlichen (negativen) Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen haben kann.
Frage 2: Ist es richtig, dass individuelle Haustarifverträge nicht als gültige Tarifverträge angesehen werden? Welcher wäre denn dann der richtige Tarifvertrag an dem man sich orientieren kann?
Antwort: Auch diese Frage, wird schwerpunktmäßig durch die noch nicht erarbeiteten Verfahrens- und Prüfgrundsätze beantwortet werden. Sollte sich der Haustarifvertrag allerdings an bestehenden Tarifverträgen orientieren oder sogar über bestehende hinaus gehen, wäre er nach der Logik der Regelung unproblematisch anwendbar, solange nachgewiesen werden kann, dass dieser auch gezahlt wird. Den perfekten Orientierungs-Tarifvertrag gibt es dabei nach aktuellem Stand nicht, je weiter er verbreitet ist, desto unproblematischer sollte aber die Anerkennung sein.
Frage 3: Was passiert mit §91 SGB XI Einrichtungen in der Zukunft? Werden diese wegfallen, da sie ja keine Vergütungsvereinbarungen schließen und dann künftig auch keinen Versorgungsvertrag erhalten können?
Antwort: Eine spannende Fragestellung an, die sich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantworten lässt. Für eine solche ‚Spezialfrage‘ ist es noch zu früh im Gesetzgebungs- und Umsetzungsprozess. Hier wird es ganz maßgeblich auf die Ausgestaltung der Verfahrens- und Prüfgrundsätze für die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen der Versorgungsverträge ankommen (§72 Abs. 3b Arbeitsentwurf SGB XI). Insbesondere wenn aktuelle aber bereits nachgewiesen werden kann, dass Sie nach Tarifen zahlen, wäre ich hier grundsätzlich positiv gestimmt, dass sich dann auch ein Besitzstandsschutzregelung finden wird. Hierum geht es dem Gesetzgeber ja aktuell primär mit den angesprochenen Neuregelungen zur Einführung einer aufgeweichten Tarifpflicht für den Abschluss von Versorgungsverträgen.
Anmerkung: Definition §91 EInrichtungen
Zugelassene Pflegeeinrichtungen, die auf eine vertragliche Regelung der Pflegevergütung nach den §§ 85 und 89 verzichten oder mit denen eine solche Regelung nicht zustande kommt, können den Preis für ihre ambulanten oder stationären Leistungen unmittelbar mit den Pflegebedürftigen vereinbaren.
Fragenkomplex 2: Personalbemessungsverfahren
Kurze inhaltliche Einleitung:
Mit der Reform des §113c (Arbeitsentwurf SGB XI) der Bundesgesetzgeber klare Anhaltszahlen für das Pflegepersonal auf Gesetzesebene definiert. Grundsätzlich soll hierbei eine bundeslandabhängige Ausgestaltung in Rahmenverträgen beibehalten werden. Allerdings werden die zentralen Erkenntnisse aus dem Rothgang-Gutachten zur Mehrpersonalisierung in der stationären Pflege mit einem veränderten Fachlichkeitsmix aufgegriffen. Zukünftig soll eine Dreiteilung der Personalschlüssel gelten. Anstelle einer pauschalen Personalmenge ergibt sich eine belegungsabhängig differenzierte Personalmenge für Hilfskraftpersonal ohne landesrechtlich geregelte Helfer- oder Assistenzausbildung, eine weitere für Hilfskraftpersonal mit einer mind. 1-jährigen Ausbildung und eine Personalmenge für die klassische Fachkraft. Aus der Addition dieser drei jeweils pflegegradabhängigen Personalschlüssel ergibt sich dann die zukünftige Gesamtpflegepersonalmenge. Diese Regelung soll dann sämtliche anderen zusätzlichen Personalbestandteile ablösen, sodass die Personalsteuerung insgesamt ab spätestens Mitte 2023 wieder einfacher wird.
Frage 1: Wie sind die im §113 c dargestellten Personalmengen je Pflegegrad zu verstehen? Wie ermittelt sich die Gesamtmenge und wie häufig muss diese bestimmt werden.
Antwort: Im Arbeitsentwurf sind Personalmengen in VZÄ je Pflegebedürftigen in den unterschiedlichen Pflegegraden angegeben. Diese Personalmenge lässt sich leicht auch als Personalschlüssel im bekannten Format 1:x darstellen, hierfür muss lediglich die Zahl eins durch den jeweiligen VZÄ-Wert geteilt werden (Pflegegrad 2 = 0,1037 VZÄ Fachkräfte = 1 : 9,70 ). Die zukünftige Gesamtpersonalmenge ergibt sich aus der Personalmenge, die jeweils für jede der drei unterschiedlichen Qualifikationsstufen und Pflegrade ermittelt werden muss. Diese Gesamtpersonalmenge stellt grundsätzlich die maximal mögliche Personalmenge dar (Maximaler Orientierungswert). Es wird jedoch im Arbeitsentwurf vorgesehen, dass diese Personalmenge sowohl dann überschritten werden kann, wenn Sie aktuell bereits eine höhere Personalmenge haben und wenn der neu zu verhandelnde Rahmenvertrag eine höhere Personalmenge vorsieht.
Das genaue Verfahren zum Ablauf der Personalbestimmung soll auch zukünftig in den Landesrahmenverträgen definiert werden. Nach aktuellem Stand und nach den Formulierungen in anderen relevanten Paragraphen ist nicht davon auszugehen, dass sich das Verhandlungsgeschehen grundsätzlich ändert, demnach wird die Personalmenge einmal jährlich verhandelt und muss dann lediglich im Rahmen der belegungsabhängigen Personalmengensteuerung wie aktuell auch an Veränderungen der Belegungsstruktur angepasst werden (bestenfalls täglich).
Frage 2: Gilt dann zukünftig ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel? Wie ist damit umzugehen, wenn man künftig gemäß des Schlüssels weniger Personal vorhalten soll?
Antwort:Tatsächlich wird mit der aktuell vorliegenden Regelung (wieder) kein bundeseinheitlicher Personalschlüssel eingeführt. Stattdessen obliegt die finale Ausgestaltung der Personalschlüssel den Bundesländern in der Rahmenvertragsgestaltung. Je nachdem wie schnell und erfolgreich diese laufen, wird es also u.U. wieder bundeslandspezifische Regelungen geben, die deutlich voneinander abweichen.
Sinnvoll ist dies z.B. dort, wo die aktuellen Personalschlüssel bereits über denen des §113c liegen (z.B. in Bayern). Für diese Einrichtungen sieht der Abs 2 zwar bereits einen Besitzstandsschutz vor, etwaige Personal-Verbesserungen müssten hier aber auf Rahmenvertragsebene angestoßen werden.
Frage 3: Was passiert, wenn sich der Fachlichkeitsmix durch die neuen Orientierungswerte so verschiebt, dass ich zukünftig weniger Fachkräfte vorhalten müsste, dies aus fachlicher Überzeugung heraus aber nicht möchte.
Antwort: Hierfür gibt es (meiner Einschätzung nach) noch keine klare Regelung, schaut man sich die Formulierung des Besitzstandsschutzes jedoch genauer an, würde ich daraus zumindest die Möglichkeit ableiten, den höheren Fachkraft-Einsatz zu rechtfertigen. Hier heißt es: „Sieht die bestehende Pflegesatzvereinbarung gemäß § 84 Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 bereits eine darüber hinausgehende Personalausstattung vor und wird diese entsprechend von der Pflegeeinrichtung vorgehalten, können die Personalanhaltswerte nach Absatz 1 überschritten werden.“
Da von Personalanhaltswerten im Plural gesprochen wird, würde ich den Anspruch des Überschreitens auch auf jedes einzelne Mengenbudget beziehen. Somit ließe sich auch ein Besitzstandsanspruch auf die Fachkraftpersonalmenge verargumentieren. Das soll aber bitte lediglich als erste Idee verstanden werden, für eine verbindliche Einschätzung ist es noch zu früh und es sollte eine Jurist*In mit einbezogen werden.
Frage 3: Wie verhält es sich mit den ganzen zusätzlichen Personalschlüsseln, die aktuell gelten (zusätzliche Betreuungskräfte, PpSG-Personal, zusätzliche Hilfskräfte)?
Antwort: Hier ist grundsätzlich das Pflege und Betreuungspersonal zu unterscheiden. Die neuen Personalanhaltswerte ersetzen sämtliche zusätzlichen Pflegepersonalschlüssel, die zusätzlichen Betreuungskräfte bleiben jedoch erhalten. In der Praxis heißt dies, dass Sie zukünftig nicht mehr das PpSG-Personal (zusätzliche Fachkräfte) oder das GPVG-Personal (Hilfskräfte) hinzu addieren können. Die aus den Anhaltswerten resultierende Personalmenge ist die neue Gesamtpersonalmenge. Ein Umstand der die Steuerung und Besetzung zukünftig wieder einfacher machen wird.
Die zusätzlichen Betreuungskräfte (ehemals §87, jetzt § 43b-Kräfte) im Schlüssel von 1:20, bleiben jedoch weiter erhalten. Es finden sich im Arbeitsentwurf die entsprechenden Streichungen, der Passagen für die PpSG- und GPVG-Kräfte, die Textstellen zu den Betreuungskräften bleiben jedoch in der aktuellen Formulierung erhalten.
Ergänzende Frage: Was passiert dann mit dem Zuschuss für die PpSG-Stellen, müsste beim Entfall der Stellenrefinanzierung und einem gleichzeitigen Erhalt der Stellenanzahl, nicht der Eigenanteil für die Pflegebedürftigen steigen?
Antwort: Das ist zunächst einmal vollkommen richtig. Wenn eine höhere Personalmenge (oder dieselbe), wie aktuell vereinbart wird, dann steigt bei einem Entfall der PpSG-Förderung der Eigenanteil für die Bewohner. Da die Pflegebedürftigen durch die Reform allerdings grundsätzlich ja entlastet werden sollen, ist gleichzeitig auch eine Fortzahlung der Zuschüsse für das PpSG-Personal geplant. Im aktuellen Arbeitsentwurf steht jedoch lediglich, dass die Gesamtsumme, die aktuell von der Krankenkasse an die Pflegekasse überwiesen wird, verstetigt wird. Es ist noch nicht klar, ob sich daraus dann ein pauschaler Anspruch je Pflegeplatz für jede Einrichtung ergibt oder eine individuelle Verstetigung nur für diejenigen, die das Zusatzpersonal auch in Anspruch genommen haben. Hier fehlen noch wichtige Umsetzungsrichtlinien.
Frage 4: Gilt der neue Personalschlüssel auf für teilstationäre Einrichtungen?
Antwort: Nein, der neue Personalschlüssel gilt ausschließlich für vollstationäre Einrichtungen (siehe hierzu §113c Arbeitsentwurf). In der durch das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten „Roadmap zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege und zur schrittweisen Einführung eines Personalbemessungsverfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen“, wird auch klar angeführt, dass aktuell im teilstationären Bereich keinen Verbesserungsbedarf gesehen wird.
Fragenkomplex 3: Reduktion der Eigenanteile
Kurze inhaltliche Einleitung:
Im Detail sehen die Regelungen nach zwölf Monaten Aufenthalt in einem Altenheim eine Reduktion des pflegebedingten Eigenanteils von 25 %, nach 24 Monaten eine Reduktion von 50 % und nach 36 Monaten von 75 % vor. Gleichzeitig werden die Leistungsbudgets einmalig um 5 % angehoben. Zukünftig sollen diese dann jährlich (ab 2023) um 1,5 % angehoben werden. Darüber hinaus wird eine zusätzliche Entlastung der Pflegebedürftigen durch die pauschale Verringerung der Investitionskosten um 100 € umgesetzt (§9 Arbeitsentwurf) sowie eine Verstetigung der Zuschüsse der Krankenkasse für die Behandlungspflege, die ebenfalls eigenanteilsmindernd wirken sollen
Frage 1: Die absolute Deckelung des pflegebedingten Aufwands auf monatlich 700 €, die zwischenzeitlich angedacht war, ist also vom Tisch?
Antwort: Ja, die fixe Deckelung des pflegebedingten Eigenanteils ist nach aktuellem Stand endgültig vom Tisch. Stattdessen gibt es jetzt eine relative Eigenanteilsentlastung gestaffelt nach Aufenthaltsdauer in der Einrichtung. Diese sieht nach zwölf Monaten Aufenthalt in einem Altenheim eine Reduktion des pflegebedingten Eigenanteils von 25 %, nach 24 Monaten eine Reduktion von 50 % und nach 36 Monaten von 75 % vor. Die Reduktionsregelungen beziehen sich dabei immer nur auf den pflegebedingten Aufwand. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind weiterhin vollständig vom Pflegebedürftigen zu tragen. Die absolute Deckelung, die ja in etwa dem „Sockel-Spitze-Tausch“ entsprechen würde, wurde als zu kostenintensiv abgelehnt, auch bzgl. des aktuellen Vorschlages gibt es bereits heftigen Widerstand aus der Politik.
Frage 2: Soll der „Eigenanteil“ bei Sozialhilfeträgern analog dem bei den Selbstzahlern bezuschusst werden?
Antwort: Ja, der Zuschuss wird je Pflegebedürftigen von den Pflegekassen getragen (§43 c Arbeitsentwurf SGB XI). Der Zuschussanspruch, soll durch die Pflegekassen geprüft werden und das Ergebnis wird dann an die Einrichtungen für jeden Pflegebedürftigen übermittelt.
Frage 3: Tritt die Reduktion der Eigenanteile für Bestandskunden (z.B. Bewohner die schon 24 Monate in der Einrichtung sind) ab Inkrafttreten des Gesetzes in Kraft oder gilt der Zeitraum erst ab Inkrafttreten des Gesetzes?
Antwort: Die Regelungen zur Reduktion sollen gemäß des aktuellen Entwurfs sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes wirksam werden. Das bedeutet, dass Bewohner die zu diesem Zeitpunkt bereits länger in der Einrichtung leben, auch direkt von den Reduktionen profitieren. Im Paragraph §43c ist hierfür vorgesehen, dass die Pflegeversicherungen die Gesamtdauer des Bezugs von vollstationären Leistungen mitteilt, damit entsprechend die Höhe des Leistungszuschlags ermittelt werden kann.
Fragenkomplex 4: Neue Leistungsart gemeinschaftliches Wohnen
Kurze inhaltliche Einleitung:
Mit dem „Gemeinschaftlichen Wohnen“ soll es zukünftig eine neue Leistungsart neben den klassischen ambulanten, teilstationären und vollstationären Angeboten geben. Vergleichbar mit den in den anderen Sektoren geltenden Rahmenverträgen, sollen auch hier in einem ersten Schritt die leistungsrechtlichen Grundlagen für diese neue Leistungsart gelegt werden.
Frage 1: Umfassen die Änderungen des gemeinschaftlichen Wohnens auch die anbieterverantworteten Hausgemeinschaften?
Antwort: Zum aktuellen Zeitpunkt, lässt sich leider noch sehr wenig Konkretes zu den zukünftigen Regelungen bezüglich der Leistungsart ‚gemeinschaftliches Wohnen‘ sagen. Die relevanten Kriterien und Faktoren sollen erst im Zuge der Rahmenvertragsentwicklung definiert werden. Im aktuellen Arbeitsentwurf ist im § 45h eine erste Voraussetzungs-Sammlung von Faktoren enthalten, die erfüllt sein müssen, damit eine gemeinschaftliche Wohnform vorliegt. Diese lauten aktuell:
- eine pflegerische, betreuerische und hauswirtschaftliche Basisversorgung der Pflegebedürftigen und die häusliche Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches sowie Unterkunft und Verpflegung gewährleistet sind,
- auf Wunsch des Pflegebedürftigen über die Basisversorgung hinausgehende Leistungen, auch unter Hinzuziehung Angehöriger, ehrenamtlich Tätiger oder sonstiger Dritter, angeboten werden,
- nicht mehr als 15 Pflegebedürftige versorgt werden,
- das Versorgungskonzept darauf ausgerichtet ist, die Selbstbestimmung und Selbständigkeit der Pflegebedürftigen, auch unter Einbeziehung ihnen nahestehender Personen, durch individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zu wahren und zu fördern,
- 5. Pflegebedürftige unabhängig vom Pflegegrad und von der Entwicklung des Pflegebedarfs versorgt werden,
- Personal vorgehalten wird, welches nach Zahl und Qualifikation dieser besonderen Versorgungsform Rechnung trägt,
- die räumliche Gestaltung einer selbstbestimmten Versorgung entspricht.
Nach diesen Voraussetzungen, würden voraussichtlich relativ viele auch anbieterverantwortete WGs unter die neue Leistungsart fallen. Gleichzeitig ist dort aber noch nicht geregelt, was passiert, wenn diese Faktoren nicht eingehalten werden und wie die Rahmenvertragsregelungen mit den teilweise sehr unterschiedlichen Landesheimgesetzgebungen in Einklang gebracht werden. Ausdrücklich nicht enthalten sind im Arbeitsentwurf Besitzstandsschutz oder Auffangregelungen, diese müssten entsprechend auch auf Landesebene verhandelt werden. Die Fragen lassen sich demnach leider noch nicht abschließend beantworten.
Fragenkomplex 5: Übergeordnete Herausforderungen
Frage 1: Wie soll die enorme Menge an 1-jährig ausgebildeten Pflege zeitnah qualifiziert werden?
Antwort: Diese Fragestellung ist einer der Gründe dafür, weswegen es aus unserer Sicht so wichtig ist, sich bereits heute mit den anstehenden mittelfristigen Veränderungen auseinander zu setzen. Das Erarbeiten einer Personalstrategie wird (noch mehr als aktuell schon), zum zentralen Erfolgsfaktor für die Zukunft. Hierzu zählen dann auch die Auseinandersetzung mit der obigen Fragestellung, die jeweils einrichtungsbezogen beantwortet werden muss. Es dürfte sich jetzt aber schon abzeichnen, dass der Fachkraftmangel sich zeitnah auch auf einjährige Hilfskräfte ausweiten wird und Sie sich frühzeitig mit (Weiter-) Qualifizierungs- und Personalgewinnungsmaßnahmen auseinander setzen sollten.
Frage 2: Kommt die Reform dieses Jahr noch bzw. wann müsste die Lesung erfolgen um das noch zu schaffen?
Antwort: Auch wenn sich diese Frage immer noch nicht final beantworten lässt, lässt sich doch festhalten, dass sich die Chancen auf eine Reform mit jedem Tag, der ohne einen kabinettsabgestimmten Referentenentwurf vergeht, weiter verkleinern. Um es noch in diese Legislaturperiode zu schaffen, müssten es turbulente Wochen werden bis zur parlamentarischen Sommerpause. Insbesondere, wenn die zuletzt aus (fast allen politischen Richtungen) geäußerten Vorbehalte gegen die Reform mit einbezogen werden.
Autor:
Kip Sloane (Senior-Berater bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH), E-Mail: sloane@rosenbaum-nagy.de Telefon (02 21) 5 77 77 50
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