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Pflegekammer-Aus: Demokratie tut manchmal weh

Dass Demokratie und Abstimmung manchmal sehr weh tun können, das musste die Pflegekammer Schleswig-Holstein bei der Abstimmung über ihren Fortbestand erleben. Wer fragt bekommt Antworten. Antworten, die nicht zwingend das aussagen, was man eigentlich gerne gehört hätte.

Elisabeth Scharfenberg
Foto: Michael Farkas Elisabeth Scharfenberg ist Pflegeexpertin. Von 2005 - 2017 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags. Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie einen Kommentar links oben in das Kommentarfeld!

Und es gab viele Antworten: Von den 23.579 abstimmungsberechtigten Mitgliedern der Pflegeberufekammer haben 17.747 teilgenommen. Von den gültigen abgegebenen Stimmen (17.372) entfielen auf die Auflösung der Kammer  91,77 Prozent (15.942) und auf die Fortführung der Kammer 8,23 Prozent (1.430). Deutlicher geht es kaum. Die abstimmungsberechtigten Mitglieder der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein haben in großer Zahl die Gelegenheit der durch einen Landtagsbeschluss (19/1877) herbeigeführten Abstimmung genutzt. Die Landespolitik hat sich jetzt, wie angekündigt, mit dem Votum auseinander zu setzen. Aber nicht nur die Landespolitik muss sich hier Gedanken machen, auch die Pflegekammer und auch deren (Pflicht)Mitglieder. Nur abwählen ist mir hier zu wenig. Es geht auch um die Gestaltung der Zukunft der Pflege.

Aber wo genau liegt das Problem der übermächtigen Ablehnung? Ist es der Beißrelex gegen die Pflichtmitgliedschaft, die in der Folge Pflichtbeiträge einfordert? Bei einem Pflege-Durchschnittseinkommen beläuft sich laut Flyer der Pflegekammer Schleswig-Holstein der Beitrag auf 119 Euro pro Jahr. 10 Euro pro Monat. Zu viel für eine Pflegekraft? Mal Hand aufs Herz: Das kann doch nicht der wirkliche Grund sein. Keine Organisation, die Schlagkraft entwickeln will und soll – auch keine Pflegekammer – kann von Gottes Lohn existieren und arbeiten. Auf ihrer Homepage beschreibt die Pflegekammer genau ihre Aufgaben: Berufsordnung, Weiterbildung, Politkberatung. Es geht um Mitgliederbeteiligung, Berufsstatistik und auch darum, Stellung zu beziehen. Alles Dinge, die der Pflege sehr gut zu Gesicht stehen. Gerade in Zeiten, in denen wir alle feststellen, dass Beifall von Balkonen wirklich nicht ausreicht um die Pflege zukunftsfest zu machen. Vor allem mit dem Fokus auf die Pflegenden selbst. Der Slogan: MITMACHEN – GESTALTEN – VERTRETEN löst sich nach der Abstimmung wohl nach und nach in Rauch auf.

Aber ganz so schnell geht es dann doch nicht. Die Abstimmung zum Fortbestand der Kammer hat ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Eine sehr große Zahl der Abstimmungsberechtigten hat sich gegen die Fortführung der Kammer ausgesprochen. Dieses Stimmungsbild wird nun von der Landespolitik beraten, die diese Abstimmung auch in Auftrag gegeben hat. Um die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, die eine Kammer des öffentlichen Rechts ist, aufzulösen, braucht es ein Landesgesetz. Bis dieses verabschiedet und umgesetzt ist, hat die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Ich bin gespannt, wie lange diese Galgenfrist dauern wird. Für mich bleibt die Frage offen, wer zukünftig die Aufgaben der Kammer erfüllen will und kann. Hier darf kein Vakuum bleiben, denn das wäre fatal! Bleibt die Erkenntnis am Ende des Tages: Demokratie muss man aushalten – wer fragt bekommt eben auch Antworten.