Corona
Partielle oder allgemeine Impfpflicht?
Während sich die Ampel-Koalitionäre, die heute ab 15 Uhr ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorstellen wollen, auf eine partielle Impfpflicht etwa in Pflegeeinrichtungen zu einigen scheinen, mehren sich Wortmeldungen, die auch eine allgemeine Impfpflicht für denkbar halten. Aus dem Bundesgesundheitsministerium kommen derweil Vorschläge für eine Corona-Impfpflicht u.a. für Beschäftigte in Pflegeheimen.

Die FDP-Bundestagsfraktion will mit SPD und Grünen über eine mögliche Impfpflicht in Einrichtungen mit besonders von Corona gefährdeten Menschen sprechen. „Die FDP-Fraktion legt dabei besonderen Wert auf eine zeitliche Begrenzung und eine Einbettung in eine breite Impfkampagne“, sagte ein Sprecher nach Beratungen der Fraktion am 23.11. „In Abwägung des staatlichen Grundrechtseingriffs einerseits und des besonderen Schutzbedürfnisses vulnerabler Gruppen andererseits ist die FDP-Fraktion dafür, in Gespräche mit den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht einzutreten“, sagte er. Das sei das Ergebnis der fraktionsinternen Debatte, die intensiv gewesen sei. „Impfpflichten sind immer ein erheblicher Grundrechtseingriff und als solche besonders begründungsbedürftig», betonte der Sprecher die Position der Fraktion. Die FDP-Fraktion stelle sich der Debatte. Es sei auch die Sorge an die FDP-Fraktion herangetragen worden, dass eine einrichtungsbezogene Impfpflicht zu Kündigungen bei Pflegekräften führen könne.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, äußerte sich unterdessen gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) dahingehend, dass eine partielle Impfpflicht nun zügig umgesetzt werde. „Zudem werden wir zeitnah eine einrichtungsbezogene Impfpflicht auf den Weg bringen, um vulnerable Personen in Einrichtungen wie der Alten- und Krankenpflege besser zu schützen“, so Göring-Eckhardt. Mit Blick auf den weiteren Verlauf der Pandemie im nächsten Frühjahr und Herbst stelle sich aber auch die Frage einer allgemeinen Impfpflicht, so die Grünen-Politikerin. „Eine allgemeine Impfpflicht bedeutet einen Eingriff in die Grundrechte jedes einzelnen Menschen“, sagte Göring-Eckardt. „Gegenüber stark die Freiheit der gesamten Gesellschaft betreffenden Maßnahmen wie wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen und gravierenden Folgen insbesondere für Kinder, aber auch ökonomischen Konsequenzen stellt eine Impfpflicht jedoch das mildere Mittel dar.“ Eine allgemeine Impfpflicht bedürfe einer vom Bundestag beschlossenen gesetzlichen Regelung, am besten mit Unterstützung aller demokratischen Parteien, sagte Göring-Eckardt.
Auch die stellvertretende Vorsitzende des Ethikrats, Susanne Schreiber, hält eine allgemeine Impfpflicht unter bestimmten Voraussetzungen für denkbar. Eine Impfpflicht berge zwar die Gefahr, durch ihren bevormundenden Charakter die freiwillige Akzeptanz von Impfungen zu senken, sagte Schreiber der „Rheinischen Post“. „Im Moment können wir jedoch nicht ignorieren, dass sich die pandemische Lage massiv zuspitzt. Wenn Krankenhäuser und Intensivstationen aufgrund der Überlastung ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können, müssen wir eingreifen – zum Schutz des Klinikpersonals und zum Schutz unser aller Gesundheit.“ Schreiber führte aus: „Je nach Dramatik der Lage können unter solch schwierigen Umständen dann auch gesetzliche Vorgaben zu Impfverpflichtungen – gegebenenfalls gestaffelt nach Gefährdung – aus ethischer Sicht nicht mehr grundsätzlich abgelehnt werden, um das Pandemiegeschehen langfristig in den Griff zu bekommen.“ Ohne ausreichende Impfungen sei man für kommende Wellen schlicht nicht gewappnet, „wenn Kontaktbeschränkungen und Lockdowns nicht zu unseren ständigen Begleitern werden sollen“.
In der Sendung „RTL Direkt“ sagte Schreiber, bei der allgemeinen Impfpflicht habe der Ethikrat sich bislang zurückgehalten. In der aktuellen Situation ändere sich das aber gerade. „Da merkt man, dass wir doch sehr ins Nachdenken kommen, weil wir eben sehen: Die Zahlen steigen, und wir kriegen diese sehr akute Krisensituation.“ Noch habe der Ethikrat keinen Auftrag von Bundestag oder Bundesregierung, sich offiziell mit der Impfpflicht zu beschäftigen: „Wir haben das im Rat noch nicht ausführlich diskutiert, aber die Zeichen stehen auf Umbruch, im Sinne von: noch mal eine ganz ausführliche Diskussion.“
Wie Spiegel Online heute (24.11.) berichtet, hat das Bundesgesundheitsministerium konkrete Vorschläge für eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken vorgelegt. Nach Informationen des Nachrichten-Portals soll dafür das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Bei den Vorschlägen handelt es sich um Formulierungsvorschläge für die künftige Bundesregierung. „Die Neuregelung könnte am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Personen, die in Kliniken, Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten tätig sind, müssten dann einen Nachweis vorlegen, dass sie geimpft oder genesen sind. Falls das nicht der Fall wäre, hätten sie Gelegenheit, es bis zum 31. März nachzuholen“, schreibt Spiegel Online. Als wahrscheinlich gälte es, dass die Ampel-Parteien die Vorschläge des Ministeriums noch überarbeiten werden, ordnet das Nachrichten-Portal ein.
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