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Neue Wohnformen im leistungsrechtlichen Dickicht?
Wer hat das letzte Wort – das Ordnungsrecht oder das Leistungsrecht? Unausgesprochen oder ausgesprochen soll der Grundsatz gelten, dass die ordnungsrechtliche Einordnung von Versorgungsformen nicht die leistungsrechtliche Seite beeinflusst. Das nordrhein-westfälische WTG hat dies sogar ausdrücklich in § 2 Abs. 6 WTG normiert: “Die Feststellung, ob eine Einrichtung dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterfällt, lässt die leistungsrechtliche Einordnung der Einrichtung unberührt”.

Unabhängig davon, dass man sich fragt, welchen materiellen Gehalt eine solche Regelung in einem Landesheimgesetz hat, da Landesheimrecht ja wohl kaum in der Lage ist, Bundesleistungsrecht zu regeln, ist diese scheinbare Trennung nur die halbe Wahrheit, wie mit nachhaltigen Auswirkungen die Verquickung beider Rechtsbereiche in dem durch das PNG eingeführten § 38 a SGB XI zeigt, wobei dies auch in Bezug auf den neuen § 45 e SGB XI gilt. Vor dem Hintergrund, dass es einen landesheimrechtlichen Trend gibt, in Gestalt der "anbieterverantworteten ambulant betreuten Wohngemeinschaften" eine strukturierte Alternative zu den klassischen Heimen als Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot zu formen und – in unterschiedlicher Intensität – auch durchzusetzen, wird dies durch die bundesgesetzlichen Regelung der Finanzierung und Refinanzierung von Wohngemeinschaften durch die Neuregelungen des PNG konterkariert.
Das PNG sieht nämlich nicht die anbieterverantwortete Wohngemeinschaft im Fokus finanzieller Unterstützung, sondern die selbstverantwortete Wohngemeinschaft (à la Henning Scherf). Die Regelung des § 38 a SGB XI betrifft nur Leistungen für Pflegebedürftige in "ambulant betreuten Wohngruppen", die begrifflich durch § 38 a Abs. 1 Nr. 1, 4 i.V.m. Abs. 2 SGB XI dahingehend gefasst werden, dass es sich um ein gemeinschaftliches Wohnen in einer gemeinsamen Wohnung mit dem Zweck der gemeinschaftlich organisierten häuslichen pflegerischen Versorgung handeln muß, dem die jeweils maßgeblichen heimrechtlichen Vorschriften oder ihre Anforderungen an Leistungserbringer nicht entgegenstehen dürfen, und bei dem die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich oder tatsächlich nicht eingeschränkt sein darf, wobei die von der Gemeinschaft unabhängig getroffenen Regelungen und Absprachen keine tatsächlichen Einschränkungen in diesem Sinne sein sollen. Damit entfällt für die politisch zunehmend propagierte Form der anbieterverantworteten Wohngemeinschaft die Anspruchsberechtigung der in der Wohngemeinschaft lebenden Menschen ungeachtet des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 38 a SGB XI. Dies ist sachwidrig und im Ergebnis untragbar und bedarf der dringenden Korrektur, zumal die Begründung des PNG insofern kein Argument zur Differenzierung liefert. Gleiches gilt in Hinblick auf die in § 45 e SGB XI geregelte Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen, da diese Vorschrift auf den § 38 a SGB XI Bezug nimmt.
Hier sind Länder und Bund dringend aufgerufen, entweder in den Landesförderrechten kompensatorische Regelungen zu schaffen, oder auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass § 38 a SGB XI und § 45 e SGB XI dahingehend geändert werden, dass sie mit den dort geregelten Förderungen generell für beide Typen ambulant betreuter Wohngemeinschaften gelten. Nur so können auch die stationären Anbieter "verführt" werden, sich auf ein "einrichtungsnahes ambulantes Terrain" vorzuwagen, um mit ihrem Know – How und ihren Erfahrungen diesem Angebotstyp den Rückenwind zu geben, den es braucht, damit die "alternativen" Wohnformen den zukünftig wohl wegfallenden Zuwachs stationärer Angebote auffangen können.
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