Blog

Mehr selbstbestimmtes Wohnen im Alter – doch nur eine Schimäre?

Mehr selbstbestimmtes Wohnen im Alter – doch nur eine Schimäre?

 

 

Dr. Lutz H. Michel
- Lutz Michel, Rechtsanwalt

Da werden auf der einen Seite im neuen PNG wesentliche finanzielle Impulse für die Gründung vorstationärer Wohnformen" in Gestalt von betreuten Wohngemeinschaften gesetzlich vorgesehen – ganz im Sinne des ambulant vor stationär" – und auf der anderen Seite finden sich gesetzliche Regelungen, die privates Wohnen im Wohngemeinschaften tendenziell dann doch dort verorten wollen, wo viele – pflegebedürftige – Senioren und ihre gesetzlichen Betreuer wie auch Familienangehörigen nicht hin wollen, nämlich in eine stationäre Einrichtung. Beredtes Beispiel dafür, was zwar (vielleicht) politisch gewollt (oder möglicherweise in Wahrheit doch nicht gewollt – Niedersachsen!) ist, jedenfalls aber von der Rechtssprechung keinesfalls gewollt zu sein scheint, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 21. Mai 2012 (AZ 12 A 1136 / 11). Wenngleich das Urteil – liest man es sorgfältig – keineswegs – wie in diversen Publikationen kolportiert – eine bundesweite Ausstrahlung hat und auch haben kann vor dem Hintergrund der – widersinnigen – föderalen Struktur des Heimrechts" in Deutschland und der landesspezifischen Regelung des NHeimG, so zeigt es doch, dass zwischen Mut zum Neuen und Angst vor staatlich nicht regulierten Lebensformen für Senioren tiefe Schluchten" liegen. Wenn das VG Oldenburg formuliert, dass eine Wohngemeinschaft, in der ausschließlich Schwerstpflegebedürftige versorgt werden, nicht außerhalb des niedersächsischen Landesheimgesetzes – und nur darum geht es – denkbar ist, sofern nicht die Betreuer / Bevollmächtigten der WG – Mitglieder mit den Pflege- und Betreuungsbedürftigen zusammen wohnen", so ist das ein Schlag ins Gesicht all derjenigen Menschen, die für sich und / oder ihre Nächsten Lebensformen suchen und finden wollen, die weder staatlich reguliert und bevormundet noch der permanenten Aufsichtsführung von Angehörigen oder anderen Sachwaltern unterliegen. Noch fragwürdiger wird die Angelegenheit, wenn aus schwerstpflegbedürftigen Menschen" in Kommentaren Menschen mit Demenz" werden und in vorauseilendem Gehorsam verallgemeinernd in den Richterspruch auch selbstbestimmte Wohngemeinschaften für demenziell erkrankte Menschen einbezogen werden. Genauso problematisch ist die über Strecken unterschwellige Diktion des Urteils, die einerseits tiefes Misstrauen des Gerichts gegenüber den alternativen Wohnformen" aufscheinen läßt, andererseits aber genauso deutlich werden läßt, dass die Sachkenntnis der Urteilsverfasser nicht unbedingt tiefgehend ist. Natürlich ist der Richterspruch insofern Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die Monokultur betreiben: Was nicht gewollt ist, darf auch staatlicherseits nicht gestattet werden. Fragt sich nur, ob nicht dann für diese am Ende des Tages der vielzitierte Satz vom Zuspätkommen und Bestraftwerden" gilt. Ob das Verwaltungsgericht dies wirklich befördern wollte?