Recht

Karlsruhe stärkt Rechte von Psychiatrie-Patienten

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von
Patienten in der Psychiatrie bei der zeitweisen
Fesselung ans Bett gestärkt.

- Länger als eine halbe Stunde dürfen Psychiatrie-Patienten nicht ohne richterliche Anordnung fixiert werden, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Foto: Adobe Stock/RobertoM

Für längere Zeit darf diese Zwangsmaßnahme nur nach
einer richterlichen Entscheidung getroffen werden,
entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in
Karlsruhe. Zwei Betroffene aus Bayern und
Baden-Württemberg hatten Verfassungsbeschwerden
eingereicht. Der eine Patient war stark betrunken, der
andere hatte wiederholt mit Gegenständen geworfen.

Wenn eine Fixierung an Beinen, Armen und Bauch – in
einigen Fällen zusätzlich um Brust und Stirn – absehbar
länger als eine halbe Stunde dauert, reicht dem Urteil
zufolge die Anordnung eines Arztes nicht aus. Wird eine
Fixierung in der Nacht vorgenommen, muss eine
richterliche Entscheidung am nächsten Morgen eingeholt
werden.

Die Fixierung eines Patienten sei ein Eingriff in
dessen Grundrecht auf Freiheit der Person nach Artikel
104 des Grundgesetzes, sagte der Vorsitzende des
Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle. Sie sei nur als
letztes Mittel zulässig, wenn mildere Mittel nicht in
Betracht kommen. Eine Fixierung werde "umso
bedrohlicher erlebt, je mehr der Betroffene sich dem
Geschehen hilflos ausgeliefert sieht". Über die
Unterbringung von Patienten in der geschlossenen
Psychiatrie entscheidet in Deutschland ein Richter. Der
Zweite Senat gibt den Ländern Bayern und
Baden-Württemberg bis zum 30. Juni 2019 Zeit,
verfassungsgemäße Rechtsgrundlagen zu schaffen.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt außerdem, dass
ein fixierter Patient durchgehend durch pflegerisches
oder therapeutisches Personal überwacht wird. Die
Maßnahme muss dokumentiert werden und der Patient ist
darauf hinzuweisen, dass er sie nachträglich
gerichtlichen überprüfen lassen kann. Ein zuständiger
Richter muss zumindest tagsüber erreichbar sein, um
Fixierungen anordnen zu können. Eine nachträgliche
richterliche Anordnung ist nur in Fällen wie Selbst-
oder Fremdgefährdung zulässig.