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GPS-Uhr mit Alarmfunktion ist Hilfsmittel nach § 33 SGB V, jedoch nicht nach § 40 SGB XI
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 17.9.2019 (Az.: L 16 KR 182/18) entschieden, dass eine GPS-Uhr mit Alarmfunktion für geistig Behinderte mit Weglaufneigung als Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden muss. Als Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI sind die Kosten einer GPS-Uhr jedoch nicht zu erstatten. Die Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen.

Der Kläger leidet an einer stark ausgeprägten geistigen Behinderung infolge des Down-Syndroms. Seine Erkrankung äußert sich unter anderem durch Weglauftendenzen und Orientierungslosigkeit. Um ihm eine gewisse räumliche Freiheit ohne eine ständige personelle Überwachung zu ermöglichen, beantragte der Kläger die Kostenübernahme einer GPS-Uhr mit Alarmfunktion. Diese Uhr kann so programmiert werden, dass ein vorher begrenztes Areal – innerhalb und außerhalb eines Gebäudes – für den Träger festgelegt wird. Sobald sich der Träger der GPS-Uhr aus dem festgelegten Gebiet entfernt, meldet ein Alarmsystem dies der Betreuungsperson und teilt dieser zudem den Aufenthaltsort des Trägers mit. Gemäß der Herstellerinformation wurde diese GPS-Notfalluhr speziell für demente und verwirrte Personen entwickelt, um deren jederzeitige Auffindbarkeit zu gewährleisten.
Die Krankenkasse des Klägers lehnte die Kostenübernahme für die begehrte GPS-Uhr ab, da diese nach einem MDK-Gutachten lediglich ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei. Auch die gegen den Bescheid der Krankenkasse eingelegte Klage beim Sozialgericht Oldenburg war nicht erfolgreich. Zwar nahm das Sozialgericht Oldenburg an, dass es sich bei der GPS-Uhr sehr wohl um ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich gemäß § 33 SGB V handelt. Eine Kostenerstattung der GPS-Uhr käme jedoch nicht in Betracht, da sie nicht dem Grundbedürfnis des Klägers nach mehr räumlicher Freiheit diene, sondern lediglich seiner schnelleren Auffindbarkeit, wenn er wegelaufe.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen war gerade in diesem Punkt anderer Ansicht und verurteilte die Krankenkasse zur Kostenübernahme, da durch die GPS-Notfalluhr verhindert werde, dass der Kläger – wegen einer begrenzten Personaldecke für seine Rundumüberwachung – sich zeitweise lediglich in verschlossenen Räumen in der Pflegeeinrichtung oder zu Hause aufhalten könne. Die Benutzung der GPS-Notfalluhr erweitere damit die Mobilität des Klägers im Nahbereich und erlaube ihm somit mehr soziale Partizipation. Gleicher Ansicht wie das Sozialgericht Oldenburg war das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Bezug auf die Einordnung der GPS-Notfalluhr als Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI. Beide Gerichte sind der Auffassung, dass hier kein Pflegehilfsmittel vorliege, da durch die GPS-Notfalluhr nicht die Erleichterung der Pflege im Fokus stehe.
Wegen der besonderen Bedeutung dieses Urteils wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, womit die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen noch nicht rechtskräftig ist.
Hinweis: Zwar bezog sich die Gewährung der Kostenübernahme für die GPS-Notfalluhr im geschilderten Fall zugunsten einer Person mit Trisomie 21, gleichwohl ist zu beachten, dass auch eine Demenz als Behinderung anerkannt werden kann. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Krankenkassen die Kosten einer GPS-Notfalluhr auch für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige gemäß § 33 SGB V ersetzen müssen. Diese Option ist nicht nur für pflegende Angehörige interessant, sondern auch für Betreiber von ambulanten oder stationären Altenpflegeeinrichtungen, insbesondere solange mangels Veröffentlichung der Richtlinien zur Förderung digitaler Anwendungen gemäß § 8 Abs. 8 SGB XI keine Klarheit darüber herrscht, unter welchen Voraussetzungen und im welchen Verfahren die Förderung digitaler Anwendungen zur Entlastung der Pflegekräfte beantragt werden kann.
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