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“Erfolgreich im Verbund” – nur, wenn auch die “Kosten der Unterkunft” passen!

Moderne “hybride” Wohn – Versorgungsangebote haben gegenüber den vollstationären Wohntypen eine Besonderheit im Bereich der “Wohnkosten”: Richten sich die Immobilienkosten im stationären Bereich nach dem “Investitionskostenrecht”, so ist bei ambulant strukturierten Angeboten zwingend das “Sozialhilferecht der Kosten der Unterkunft” im Blick zu halten.

Dr. Lutz H. Michel
- Lutz Michel, Rechtsanwalt

Bei ambulant strukturierten Pflegewohnangeboten gibt es keine Investitionskosten. Die Kosten der Nutzung von Wohnraum werden durch die "Miete" abgebildet. Daran ändert auch prinzipiell nichts, wenn sich das Nutzungsverhältnis am Wohnraum nicht nach dem bürgerlichen Mietrecht, sondern etwa nach dem Recht der Wohn- und Betreuungsverträge richtet. Im Falle von Selbstzahlern ist das Thema entspannt: Wer wie wohnen will und was er dafür bezahlen will und kann, ist zunächst Privatsache. Daher gibt es für den Anbieter solcher "hybrider" Wohnformen, wie z.B. den Vermieter von ambulant betreuten Wohngemeinschaften, auch keine besonderen Restriktionen. Erlaubt ist, was nach bürgerlichen Mietrecht und Mietpreisrecht erlaubt ist. Stets ploppt die Frage nach Grenzen der Miethöhe aber auf, wenn der Mieter / Nutzer eben nicht (mehr) in der Lage ist, die Kosten seines Wohnens aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bezahlen. Dann ist regelmäßig der Sozialhilfeträger gefragt und dann stellt sich die "Gretchenfrage": Sind die Kosten des Wohnens, sozialhilferechtlich formuliert: die "Kosten der Unterkunft", angemessen. Denn nur, wenn sie angemessen sind, werden sie am Ende des Tages sozialhilferechtlich anerkannt. Dabei gilt zweierlei: Zunächst gilt § 35 SGB XII i. V. m. § 9 SGB XII und nicht § 22 SGB II. Leitsatz: Bedarfe für Unterkunft werden grds. in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen im dem der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang anerkannt, wobei Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leitung richten, entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind, was in der Regel dann nicht gegeben ist, wenn ihre Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Sodann gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Die Nettokaltmiete und die Betriebskosten (ohne die Heizung) sind die beiden Faktoren für die Bestimmung der Kostenobergrenze für die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten. Maßgeblich ist insofern eine (genau zu bestimmende) Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R, juris, RN 43). Dabei ist zunächst eine "abstrakte Angemessenheitsprüfung" vorzunehmen: Was kann dem Hilfesuchenden "zugemutet" werden, welche Fläche, welcher Standard?  Welche Wohnfläche bedarf ein Rollstuhlfahrer? Welchen Ausbaustandard braucht es bei einem Dementen? Die sich so ergebende Kaltmiete ist zu den tatsächlichen Wohnkosten ins Verhältnis zu setzen. Die "Angemessenheit" ist nur dann nicht gegeben, wenn die konkreten Wohnkosten höher liegen als die abstrakt bedarfsermittelten Kosten. Als Hilfserwägung ist der Vergleich zwischen den stationären Inverstitionskosten plus den U – Anteilen, die "kalte Betriebskosten" sind, und den konkreten Wohnkosten zulässig und angeraten. Das alles ist nicht jedem Sozialhilfeträger bewusst – oder: nicht jeder Sozialhilfeträger will davon etwas wissen: Argumentieren ist angesagt! Noch etwas zum Thema der "abstrakten Angemessenheit": Standardargument des Sozialhilfeträgers ist der Verweis auf sein "schlüssiges Konzept" der Unterkunftskosten gem. § 22 SGB II – das hat jeder. Nur hilft das nicht: Massgeblich sind nicht die "angemessenen Mietkosten" für einen Hartz IV – Empfänger, massgeblich sind die besonderen Bedarfe der jeweiligen Zielgruppe – betreuungs- und pflegebedürftige Menschen, ggfls. mit Rollstuhl unterwegs oder / und demenziell verändert. Daher bedarf es stets eines "schlüssigen Konzepts" für die in Rede stehende "Sonderwohnform" – und die gibt es in der Regel nicht! Also: Kenntnisreiches Argumentieren ist angesagt! Wie auch häufig anderswo: per aspera ad astra – aber nicht zu vermeiden, damit das "innovative Verbundkonzept" nicht nur "innovativ", sondern auch wirtschaftlich nachhaltig ist.