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Einsichtsrecht der Heimaufsicht in Pflegedokumentationen gegen den Willen der Heimbewohner?
Einsichtsrecht der Heimaufsicht in Pflegedokumentationen gegen den Willen der Heimbewohner?

Es ist ja richtig, dass gegen Missstände in Heimen, dass bei Hinweisen auf eklatante Unterversorgung einzelner Bewohner entschieden vorgegangen werden muss. Bei Gefahr im Verzug hat insbesondere die Heimaufsicht recht weitgehende polizeirechtliche Eingriffsrechte. Nur wird mancher von außen vorgetragene Vorwurf, mancher Hinweis auf eine Unterversorgung von den Aufsichtsbehörden mit einer völlig unangemessenen, extensiven Aufsichtspraxis beantwortet. Nicht nur der eine Bewohner, der möglicherweise zu Schaden gekommen ist oder droht zu Schaden zu kommen wird untersucht, sondern das ganze Heim von oben nach unten inspiziert. Das geschieht nicht selten auch dann, wenn über Jahre ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zwischen MDK, Heimaufsicht und Einrichtungen gepflegt wurde. Die Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens zeigt sich bisweilen auch in der Aufforderung, nun alle Pflegedokumentationen der Bewohnerinnen und Bewohner einsehen zu können. Pflegedokumentationen werden hinsichtlich ihres Aussagewertes für die Qualität der Pflege sowieso völlig überschätzt. Sie sind sicherlich ein wichtiges Arbeitsmittel in der Pflege, wurden aber in den letzten Jahren immer mehr zu einem präventiven Beweismittel und in hochproblematischer Weise zur Basis der Pflegenoten.
MDK und Heimaufsichtsbehörden müssen sich bei der Einsicht in Pflegedokumentationen an datenschutzrechtliche Vorgaben halten und ihre Eingriffsrechte gut reflektieren, immerhin geht es um höchstpersönliche Rechte der Bewohnerinnen und Bewohner. Weigert sich ein Bewohner, der Heimaufsicht Einsicht in eine Pflegedokumentation zu gewähren, gibt es nach geltendem Recht für die Heimaufsichtsbehörden kein Recht, die Dokumentation zu verlangen, Kopien anzufordern oder Einsicht zu nehmen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Gefahr im Verzuge ist. Nur dann wird man eben die Bewohner inspizieren, mit ihnen Kontakt aufnehmen und nicht unbedingt die Pflegedokumentation. Auch die landesheimrechtlichen Regelungen enthalten in der Regel keine bereichsspezifischen Datenschutzregeln, die einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner in dem Fall rechtfertigten, in dem sie ausdrücklich einer Einsichtnahme in die Pflegedokumentation widersprechen. Ist es der ausdrückliche Wunsch des Bewohners, dass seine persönlichen Daten von den Behörden nicht eingesehen oder gar kopiert und gespeichert werden, so kann die Zulässigkeit einer sich diesem Wunsch widersetzenden Datenerhebung und -speicherung durch die Heimaufsichten auch nicht aus landesrechtlichen Regelungen abgeleitet werden, durch welche die Behörden ermächtigt werden, zur Durchführung des jeweiligen Landesheimgesetzes mündliche und schriftliche Auskünfte von den Einrichtungen zu verlangen.
Die Subjektorientierung, die in der Pflege, die in Heimen leitend sein sollte, sie möge auch für die Praxis der Heimaufsicht Geltung beanspruchen. Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sind nicht nur Schutzobjekt, sondern haben auch einen Anspruch auf Achtung ihrer Autonomie, ihrer Entscheidungsfreiheit, ob und wie mit ihren Daten umgegangen wird. Der Verdacht, ein Heim würde einen Bewohner dazu anstiften, die Einsichtnahme in die Pflegedokumentation zu verweigern, lässt sich schnell eruieren. Ein entsprechender Generalverdacht der Heimaufsichtsbehörden gegenüber den stationären Pflegeeinrichtungen fährt zu einer Misstrauenskultur und trägt nicht dazu bei, dass die Qualitätsverantwortung gemeinsam wahrgenommen wird.
Prof. Dr. Thomas Klie, Rechtsanwalt
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