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Dramatische Situation in stationärer Pflege spitzt sich weiter zu

Die Arbeitssituation von Pflegefachkräften aus der stationären Langzeitpflege hat sich weiter verschlechtert. Das zeigt knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetztes II (PSG II) die aktuelle Umfrage "Altenpflege im Fokus" von Vincentz Network. Die Gründe liegen in der insgesamt höheren Pflegeintensität infolge des Gesetzes und dem weiter zunehmenden Fachkräftemangel.

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Das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) ist seit 2017 in Kraft und gilt als die größte Reform der Pflegeversicherung seit ihrem Bestehen. Insbesondere die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sowie die Umwandlung der Pflegestufen in Pflegegrade sollten für grundlegende Verbesserungen für Pflegebedürftige und Angehörige sorgen. Bereits vor der Einführung des Gesetzes wurden Pflegefachkräfte zu den erwarteten Auswirkungen der Reform auf ihren Arbeitsalltag befragt. Der Tenor damals: Ohne gezielte Gegenmaßnahmen wird sich die angespannte Situation in der stationären Pflege weiter zuspitzen.

Im Herbst 2018, also knapp zwei Jahre nach der Einführung des PSG II, wollte das Medienhaus Vincentz Network zusammen mit dem Marktforschungsinstitut COGITARIS GmbH von Pflegefachkräften, Pflegedienstleitungen und Qualitätsmanagement wissen, inwieweit die Erwartungen bzw. Befürchtungen eingetreten sind. Die Ergebnisse sind ebenso eindeutig wie alarmierend: 97 Prozent der insgesamt 720 Teilnehmenden sind der Meinung, dass die Anforderungen an die Pflegekräfte weiter gestiegen sind. 89 Prozent sagen, dass seit der Reform mehr Bewohner mit hohem Pflegeaufwand in den Einrichtungen betreut werden. Zudem gibt es immer mehr Bewohner mit spezifischen Erkrankungen und Multimorbidität (88 Prozent Zustimmung), mit starken kognitiven Einschränkungen und auffälligen Verhaltensweisen (91 Prozent) oder auch solche, die Sterbebegleitung benötigen (77 Prozent). Nur 32 Prozent der Pflegedienstleitungen sagen jedoch, dass seit Einführung des PSG II auch die Personalausstattung in ihren Einrichtungen erhöht bzw. angepasst wurde.

Erschwerend hinzu kommt der seit Jahren steigende Mangel an Fachkräften im Pflegebereich. So sagen zum Beispiel 92 Prozent der Befragten, dass es dadurch immer schwieriger wird, gute und qualitätsvolle Pflege zu gewährleisten – eine Steigerung um sieben Prozentpunkte im Vergleich zu 2016. 94 Prozent beklagen, dass sie insgesamt zu wenig Zeit für die Belange der Bewohner haben, während 2016 insgesamt 86 Prozent dieser Aussage zustimmten. 95 Prozent der Pflegefachkräfte haben regelmäßig das Gefühl, dass sie dem eigenen pflegefachlichen Anspruch nicht mehr gerecht werden können. Auch psychische Belastungen (72 Prozent Zustimmung) und negative Auswirkungen der Arbeitsbelastung auf das Familien- und Privatleben der Pflegefachkräfte (92 Prozent Zustimmung) haben weiter zugenommen.

Mit Blick in die Zukunft erwarten die Befragten keine Besserung der Situation – im Gegenteil: Ab Herbst 2019 kommen neue Regelungen zur Qualitätsprüfung und -darstellung, diese werden fachlich noch höhere Anforderungen an die Pflegeteams stellen (85 Prozent Zustimmung) und zudem einen noch höheren Aufwand bringen (84 Prozent Zustimmung). Das Votum der Befragten zur Diskussion um eine Flexibilisierung der derzeit auf 50 Prozent festgelegten Fachkraftquote fällt entsprechend klar aus: 91 Prozent der Befragten sagen, dass eine Absenkung der Quote eine noch höhere Arbeitsbelastung bedeuten würde, vier Fünftel (78 Prozent) sprechen sich deshalb für eine Erhöhung der Quote aus, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Pflege bewältigen zu können.

"Die Ergebnisse der Umfrage zeichnen ein dramatisches Bild", sagt Monika Gaier, Chefredakteurin im Vincentz Network. "Entgegen allen Verbesserungsversprechen von Seiten der Politik bei Einführung des PSG II und trotz der vielen Hinweise auf dringenden Handlungsbedarf ist es offenbar nicht gelungen, zu verhindern, dass sich die Arbeitssituation für die Pflegekräfte in der stationären Pflege immer weiter verschlechtert und auf einen Kollaps hinzusteuern droht. Denn egal, welche Gegenmaßnahmen jetzt auf den Tisch kommen: Sie können ihre Effekte erst später zeigen", so Gaier.

Um den Beruf der Altenpflege wieder attraktiver zu machen, ist für drei Viertel der Befragten (74 Prozent) beides gleich wichtig: Bessere Rahmenbedingungen im Job, z.B. durch bessere Personalausstattung, und eine bessere Bezahlung. Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante Sofortprogramm für die Alten- und Krankenpflege, aus dem das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) mit 13.000 zusätzlichen Stellen hervorgeht, stößt bei den Befragten jedoch auf große Skepsis. So erwarten lediglich 8 Prozent, dass die Maßnahmen die Bedingungen in der Pflege verbessern werden, 92 Prozent vertrauen nicht darauf, dass die Politik ihre dramatische Situation verstanden hat.

Die vollständigen Umfrageergebnisse finden Sie unter "Allgemein" auf www.pro-hauswirtschaft.net/Downloads