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Die da oben sollen mal machen

Vor kurzem war ich zu Gast in einer Pflegeschule. Ich hatte dort die Gelegenheit, mit den Auszubildenden über mein Buch „Pflege ist stark!“ zu diskutieren. In dem Buch von Inga Teglas und mir kommen Menschen zu Wort, die sich entschieden haben, ihr Arbeitsleben in der Altenpflege zu verändern. Menschen, die die Ärmel hochkrempeln und sagen „So mit mir nicht mehr!“. Menschen, die unter den jetzigen Strukturen die Altenpflege in ihrem Entscheidungsbereich positiv verändern. Ich war gespannt, wie die Reaktion der Auszubildenden sein würde, die sich ja gerade erst für den Pflegeberuf entschieden hatten.

Elisabeth Scharfenberg
- Elisabeth Scharfenberg, Politikerin

Die Diskussion verlagerte sich jedoch sehr schnell hin zu einer resignierten Haltung. Viele waren der Auffassung, dass für die Missstände in der Pflege in erster Linie der Gesundheitsminister Jens Spahn oder die Politikerinnen und Politiker in Berlin zuständig sind. Und nicht nur für die Missstände, sondern auch für die Beseitigung dieser.

Da erzählte eine junge Frau, dass sie als Azubi im zweiten Lehrjahr letzthin mit einer weiteren Aushilfe einen gesamten Wohnbereich managen und versorgen musste. Sie fühlte sich – zu Recht – überfordert. Ein Pflegeschüler beklagte die mangelnde Wertschätzung ihm gegenüber in seiner Einrichtung. Und immer wieder fokussierte sich der geballte Zorn in Richtung der Berliner Politikverantwortlichen.

Ich möchte hier ganz deutlich machen: Unser Buch soll nicht mit der rosaroten Brille auf der Nase den Pflegenotstand in ein romantisches Licht rücken. Pflege ist am Limit. Aber die Menschen, die Pflege positiv verändern, die gibt es eben auch. Und ich will auch nicht die Politik aus der Verantwortung nehmen. Aber mal Hand aufs Herz: Wer bitte ist dafür verantwortlich, wenn eine Pflegeschülerin gemeinsam mit einer Aushilfe in Eigenregie einen gesamten Wohnbereich versorgen soll? Wer sollte dem Pflegeschüler die Wertschätzung für seine Arbeit geben, die er täglich verdient?

Ich bin weit davon entfernt, den Gesundheitsminister oder die Politik zu verteidigen. Die sollten wirklich ihre pflegepolitischen Hausaufgaben machen. Und damit meine ich die Aufgaben, die auch in ihren Bereich gehören. Dazu gehört es aber nicht, den Dienstplan zu schreiben oder Personal einzuteilen. Das findet in der Einrichtung, direkt beim Arbeitgeber statt. Genauso wie es dort auch die Aufgabe der Führungskräfte ist, das eigene Team zu motivieren und deren Arbeit wertzuschätzen. Und trotzdem heißt es so oft, die da oben sollen mal machen…

Ich denke, es gibt vieles, was in der Pflege im Argen liegt. Und vieles davon ist in meinen Augen auch durchaus hausgemacht. Sicherlich ist das jetzt nicht die Nachricht, die alle begeistert, aber es ist nun mal so: Es gibt viele Möglichkeiten, Pflege zu verändern oder zu verbessern. Und vieles liegt eben auch in der eigenen Verantwortung. Da sollten wir dringend differenzieren. Auch wenn es gelegentlich unbequem ist und bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen.