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COVID-19-Schutzgesetz: Hygiene-Regelungen in der Kritik

Am 24. August hat das Bundeskabinett einen Entwurf für ein COVID-19-Schutzgesetz vorgelegt. Anlässlich der Anhörung im Bundestag am 29. August äußerten sich Verbände der  Pflegewirtschaft ablehnend zur vorgesehenen Bestellung von Hygienebeauftragten in Pflegeeinrichtungen. Der BKSB etwa lehnt „vom Gesetzgeber definierte personelle Lösungen“ ab. Und der bpa stellt fest, dass die Einrichtungen keiner Belehrung über die Umsetzung von Hygieneregelungen bedürften. Auch die Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz, der u.a. die fünf Wohlfahrtsverbände angehören, kritisiert an dem Entwurf “Mehrbelastungen” für die Pflegeeinrichtungen, deren Belastungsgrenze bereits überschritten sei.

Booster-Impfung, Corona, Foto: AdobeStock/Daniel
Foto: AdobeStock_Daniel Die Einrichtungen bräuchten keinen "staatlich verordneten Impfbeauftragten“, stellt bpa-Präsident Bernd Meurer fest.

In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 fordert der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) den Gesetzgeber auf, die vorgesehene Ermächtigungsgrundlage für die Länder zur Festlegung der Bestellung von hygienebeauftragten Pflegefachkräften ersatzlos zu streichen. „Wir begrüßen die Aufnahme des Themas „Hygiene und Infektionsschutz“ in dem vorliegenden Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen. Die Lösung des Hygiene- und 2 Infektionsschutzproblems wird insbesondere in kommunalen Pflegeheimen seit Jahren verantwortungsvoll und ergebnisorientiert verfolgt, da eine gute Pflegequalität untrennbar damit verbunden ist“, so Prof. Dr. Alexander Schraml, erster Vorsitzender des BKSB. Der in § 35 des Gesetzentwurfs festgelegte Weg über die durch die Länder festzusetzende und den Qualitätsausschuss zu regelnde Bestellung eines/r zu benennenden Hygienebeauftragten sei aber nicht zielgerecht. Schraml: „Wir brauchen situativ-konzeptionelle und nicht vom Gesetzgeber definierte personelle Lösungen. Es muss in der Verantwortung der Einrichtungen bleiben, wie sie Hygiene und Infektionsschutz konzeptionell organisieren, ob durch eine Person, in einem Team oder durch externe Hygieniker. Zudem werden die Einrichtungen angesichts des personellen Notstandes vor kaum lösbare Probleme gestellt, wenn die Aufgabe nur einer angestellten Pflegefachkraft übertragen werden darf. Diese Regelung gehört nicht in das Gesetz!“

Gleichwohl verursache die Lösung des Hygiene- und Infektionsschutzproblems gerade in Pandemiezeiten höhere Aufwendungen, die unabhängig von der regulären Pflegeheimvergütung refinanziert werden müssten, fordert der BKSB. Angesichts des Wegfalls des Pflegerettungsschirms sei eine Entschädigung, wie im Gesetzesentwurf vorgeschlagen, vom Grundsatz zu begrüßen. Die Refinanzierung müsse jedoch dem voraussichtlichen Arbeitsumfang entsprechen.

bpa: „Aktionismus – zusätzliche Bürokratie – rücksichtlos gegenüber Einrichtungen“

Aus Sicht des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) bietet das Gesetz „kaum zusätzlichen Schutz, sondern glänzt vor allem mit Aktionismus und zusätzlicher Bürokratie zulasten der Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe“. Es suggeriere, so bpa-Präsident Bernd Meurer, „dass die Einrichtungen nach über zwei Jahren Pandemie über die Umsetzung von Hygieneregelungen belehrt werden müssten. Gleichzeitig werden sie mit neuen bürokratischen Verpflichtungen und personellen Belastungen überzogen. Das ist rücksichtslos gegenüber den engagierten Teams der Einrichtungen“.

Weder sei eine weitere Verpflichtung zur Erstellung von Hygieneplänen sinnvoll, „weil diese vorhanden und bewährt sind“, so Meurer, noch bräuchten die Einrichtungen „einen staatlich verordneten Impfbeauftragten“. Der bpa unterstreicht, dass die Einrichtungen sich auch in der Vergangenheit darum gekümmert hätten, möglichst vielen Bewohnern Schutz durch eine Impfung zu verschaffen. „Jetzt will ihnen der Gesundheitsminister offenbar die Verantwortung für niedrige Impfquoten zuschieben. Dabei weiß er genau, dass das Engagement der Länder und die zugehenden Impfangebote der Hausärzte für den Erfolg einer Impfkampagne ausschlaggebend sind. Das belegen die sehr unterschiedlichen Impfquoten von Pflegeheimbewohnenden in den Bundesländern.“

Die neuen Maßnahmen brächten einen erheblichen bürokratischen und personellen Mehraufwand mit sich. Zusätzliche Kosten, zum Beispiel für Schutzausrüstung, seien geblieben, während der Pflege-Rettungsschirm ausgelaufen ist. Meurer fordert: „Die Einrichtungen müssen finanziell abgesichert flexibel auf die Herausforderungen in Zeiten der Pandemie reagieren und passgenaue Krisenbewältigungsstrategien umsetzen können. Dafür hat sich der Pflege-Rettungsschirm bewährt. Man kann nicht den Aufwand in den Einrichtungen erhöhen und die finanzielle Absicherung streichen. Die Bundesregierung muss dringend eine Nachfolgeregelung auf den Weg bringen, damit die Pandemieprävention nicht zu personellen oder wirtschaftlichen Zwangslagen in der Pflege und der Eingliederungshilfe führt.“

Pflegegesellschaft: “Zusätzliche Pflichten für Pflegeeinrichtungen ohne echte Kompensation”

Der Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz gehören neben dem bpa die fünf Verbbände der freien Wohlfahrtspflege an. Auch sie kritisieren in einer Mitteilung vom 29. August den Gesetzentwurf, der „ab dem 01. Oktober 2022 erneut massive Mehrbelastungen für die Pflegeeinrichtungen und damit insbesondere der seit Jahren überlasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ vorsehe. Diese Mehrbelastungen bestünden aus:

  • Masken- und Testnachweispflicht für den Zutritt voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und für Beschäftigte in ambulanten Pflegediensten
  • Feststellen und Dokumentieren der Ausnahmen von der Testnachweispflicht für frisch geimpfte und genesene Personen sowie für dort behandelt, betreut oder gepflegte Personen, Feststellen und Dokumentieren der Ausnahmen von der Maskenpflicht,
  • Kontrolle und Dokumentation der Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises
  • Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten
  • Untersagung oder Beschränkung von Freizeitveranstaltungen und ähnlichen Veranstaltungen,
  • Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen wie z.B. offene Mittagstische,
  • Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen
  • Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen u.a.

Darüber hinaus, so die Pflegegesellschaft weiter, „sollen die Pflegeeinrichtungen ab Oktober verbindlich Personen benennen zur Sicherstellung von

  • Hygieneanforderungen unter Berücksichtigung von Empfehlungen des Qualitätsausschusses Pflege, die bis zum 15.10.2022 noch erstellt werden sollen,
  • Organisations- und Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit dem:
  1. Impfen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 von Bewohnern sowie Gästen, insbesondere der regelmäßigen Kontrolle des Impfstatus sowie der organisatorischen und praktischen Unterstützung von Impfungen durch niedergelassene Ärzte und mobile Impfteams,
  2. Testen von Bewohnern sowie Gästen, von in der Einrichtung tätigen Personen und von Besuchern  gemäß dem einrichtungsspezifischen Testkonzept und unter Berücksichtigung der Teststrategie der Bundesregierung, der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sowie landesspezifischer Vorgaben und der Vorgaben der Coronavirus-Testverordnung,
  • Maßnahmen zur Unterstützung der Versorgung von Bewohnern von vollstationären Pflegeeinrichtungen mit antiviralen Therapeutika, insbesondere der Benachrichtigung von behandelnden Ärzten im Falle eines positiven Testergebnisses auf das Coronavirus SARS-CoV-2 bei Bewohnern sowie der Bevorratung von oralen antiviralen Arzneimitteln in der Einrichtung.“

Die Pflegegesellschaft stellt fest, dass Pflegeeinrichtungen mit diesen Aufgaben „nicht nur Fremdleistungen teilweise übernehmen, indem sie z.B. kostenlos für die Unterstützung von Ärzten bei deren (natürlich für diese abrechenbaren) Leistungen abgestellt werden oder für die Bevorratung von Medikamenten verantwortlich gemacht werden, sie müssen dafür aus dem Bestand heraus auch erneut kurzfristig erhebliche Prozessveränderungen vornehmen“. Ohne zusätzliche Ressourcen könne dies Auswirkungen auf die Zeit für die Versorgung der Pflegebedürftigen in den Einrichtungen haben, mahnen die Verbände.

Der Gesetzgeber bürde den Pflegeeinrichtungen und deren Personal „erneut massive zusätzliche Pflichten auf und unterlässt es gleichzeitig, eine echte Kompensation durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen sowie effiziente Entbürokratisierung zu gewährleisten“, kritisiert die Pflegegesellschaft und stellt zusammenfassend fest: „Die Politik hat Verantwortung für die Zukunft der Pflege und gefährdet diese mit immer neuen Belastungen für die Einrichtungen zunehmend.“ Sie fordert daher vom Bund:

  • Nachhaltige Entlastung und Entbürokratisierung
  • Verlässliche, einheitliche Regeln, die Planungs- und Umsetzungssicherheit garantieren.
  • Effiziente und stetige Kompensation zusätzlicher Aufgaben durch umfassende Refinanzierung

Das Land Rheinland-Pfalz fordern die in der Pflegegesellschaft organisierten Verbände auf, „von den gegebenen Handlungsspielräumen in gewohnt enger und partnerschaftlicher Abstimmung mit der Pflegegesellschaft, praxisgerecht Gebrauch zu machen und sich für eine Anschlussregelung zum Pflegerettungsschirm einzusetzen“.