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Caritas fordert verbesserte Suizidprävention

Mehr als zwei Jahre nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach jeder das Recht hat, selbstbestimmt zu sterben, auch mit Hilfe anderer, debattiert heute (18.5.) der Bundestag grundsätzlich über die Zukunft der Sterbehilfe in Deutschaland. Der Deutsche Caritas-Verband fordert in diesem Zusammenhang Regelungen, „die verlässlich verhindern, dass Angebote der Suizidassistenz Menschen unter Rechtfertigungsdruck setzen“.

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Foto: Caritas Verband Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa stellt klar: "Für die Einrichtungen und die Beschäftigten in unseren Diensten ist wichtig zu bekräftigen: Niemand ist verpflichtet, an einem Suizid mitzuwirken."

„Die Abgeordneten erörtern heute im neuen Bundestag erneut die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidhilfe vom Februar 2020 für den Gesetzgeber ergeben. Wir brauchen Regelungen, die verlässlich verhindern, dass Angebote der Suizidassistenz Menschen unter Rechtfertigungsdruck setzen. Weiter leben zu wollen bedarf keiner Begründung – ganz unabhängig davon, wie alt oder krank man ist“, sagt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa zur heutigen Orientierungsdebatte zum assistierten Suizid. Schon heute sei die Zahl der Suizide bei Menschen über 65 erschreckend hoch, so die Caritas-Präsidentin. Suizid spiegele eine Realität der Verzweiflung, Vereinsamung gerade bei Männern über 90, die in unserer Leistungsgesellschaft keine Wertschätzung erlebten. Diese Realität dürfe nicht durch eine erleichterte Zugänglichkeit von Suizidhilfe banalisiert und verschärft werden. 

Die Caritas fordert verbesserte Suizidprävention – gerade auch für ältere Menschen. Ebenso unverzichtbar seien weitere Anstrengungen für einen bedarfsgerechten Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung und die Gewährleistung guter Betreuung durch ausreichend qualifiziertes Personal in der stationären und ambulanten Altenhilfe. „Für die Einrichtungen und die Beschäftigten in unseren Diensten ist wichtig zu bekräftigen: Niemand ist verpflichtet, an einem Suizid mitzuwirken. Dieser vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Grundsatz gilt für natürliche Personen, aber auch für Träger von Einrichtungen und Diensten. Das Gesetz muss dies klarstellen. Die Pandemie-Erfahrung hat gelehrt: Wir brauchen eine soziale Infrastruktur mit Räumen für das Leben, in denen sich Menschen bis zuletzt in sorgenden Händen gut aufgehoben fühlen“, so Welskop-Deffaa.

Allgemeine Aussprache ab 15 Uhr im Bundestag

In der allgemeinen Aussprache heute ab 15 Uhr im Bundestag geht es noch nicht um konkrete parlamentarische Beratungen zu Gesetzentwürfen oder Anträgen. Für mögliche gesetzliche Regelungen haben mehrere Abgeordnetengruppen aber bereits fraktionsübergreifend Vorschläge vorgestellt. Aus dem Parlament wurden dazu bisher drei Initiativen vorgestellt, die teils noch in der vorigen Wahlperiode angegangen wurden:

  • Nach dem Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Benjamin Strasser (FDP) soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden – aber mit einer Ausnahme für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.
  • Eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP), Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD) schlägt eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts vor. Sie soll «das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist», wie es im Entwurf heißt. Vorgesehen ist ein breites Beratungsangebot. Ärzte solle Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung dann verschreiben dürfen, wenn sie «von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches» ausgehen. Seit der Beratung müssten in der Regel mindestens zehn Tage vergangen sein.
  • Die Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Katja Keul stellten Eckpunkte für ein «Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben» vor. Es gehe darum, Betroffenen mit klaren Kriterien einen Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln zu schaffen, hieß es bei der Vorlage. Unterschieden werden solle im Verfahren zwischen Menschen, die an schweren Erkrankungen leiden, und Suizidwünschen aus anderen Gründen. Vor der Abgabe tödlicher Mittel sei eine verpflichtende Beratung angemessen und verhältnismäßig, um die Selbstbestimmtheit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches abzusichern.