Blog

Betreutes Wohnen in Zeiten von Corona

Nach den vollstationären Einrichtungen kommen immer mehr auch betreute Wohnanlagen in den Blick mit der Sorge, hier könnten sich weitere “Infektionshotspots” entwickeln. Die Verunsicherung bei den Beteiligten, was gilt und was ggfls. zu tun ist und auch was von ihnen rechtlich verlangt werden kann, steigt.

Dr. Lutz H. Michel
- Lutz Michel, Rechtsanwalt

Worum geht es?

Auslöser für infektionsschutzrechtliche Überlegungen und etwaige Maßnahmen ist stets die sicherlich besondere Risikolage, die sich daraus ergibt, dass in einem Betreuten Wohnen "geclustert" viele gesundheitlich besonders vulnerable Menschen leben.

So hat z. B. jüngst NRW in seiner "Coronaaufnahmeverordnung" die "sinngemäße" Geltung der auf vollstationäre Pflege- und Betreuungseinrichtungen bezogenen Maßnahmen bzgl. der Schaffung von "Quarantäne- / Isolationsbereichen" verordnet. Nach Besuchsverboten, die diskutiert werden, werden – so in NRW – Verpflichtungen zur "Neuaufnahme" von Mietern und zur "Wiederaufnahme nach Krankenhausaufenthalt" statuiert. In Bayern und Baden – Württemberg wäre das, die dortige dazu völlig diametral entgegengesetzte Linie weiterdenkend, dann das Verbot von Neueinzügen bzw. die Wohnungen zu verlassen.

Sicherlich könnte der § 28 IfSG derartige Verpflichtungen bzw. Verbote decken. Fragt sich aber nur, 1. wer sie im Einzelfall anordnen kann und 2. wer den Vollzug sicherzustellen hat. Im Betreuten Wohnen kommen 3 Akteure in Betracht: 1. der Vermieter, der die individuelle Wohnung überlässt und ggfls. die Mitnutzung von Gemeinschaftsflächen ermöglicht, 2. der Betreuungsträger / Servicedienstleister, wenn es einen solchen einheitlich für die betreute Wohnanlage gibt, und 3. die anordnende bzw. im Falle einer Rechtsverordnung für deren Durchsetzung zuständige(n) Behörde(n). Ziel von Ver- und Geboten ist letztendlich immer der Mieter.

Was gilt?

Betreutes Wohnen ist privates Wohnen. Es gibt keinen "Träger" einer betreuten Wohnanlage, der eine Art "Gesamtorganisation" mit entsprechenden Organisationsrechten darstellt. Der Betreuungsträger / Servicedienstleister ist lediglich verpflichtet, "allgemeine Unterstützungsleistungen", ggfls. nach individueller Beauftragung auch "Wahlleistungen" zu erbringen. Er hat gegenüber den Mietern weder das Recht, den Zugang zur Wohnanlage zu reglementieren, noch deren Verlassen zu untersagen. Der Betreuungsträger ist nicht "Blockwart". Schon erst recht ist er nicht befugt, "Zwangsumzüge" zwecks Schaffung von "Quarantäne- oder Isolationsbereichen" anzuordnen und durchzusetzen: Das Hausrecht liegt bei den Mietern, ggfls. teilweise beim Vermieter. Wenn er in eine "Trägerrolle" gezwungen werden soll, so muss die zuständige Behörde ihm dies durch konkrete Verfügung aufgeben. Gleiches muss dann aber vor allem gegenüber den Mietern erfolgen: ihnen ist beispielsweise das Verlassen der Wohnung oder der Wohnanlage zu verbieten. Durchzusetzen hat das dann die zuständige Behörde. Die Grenze der Verhältnismäßigkeit derartiger Maßnahmen ist evident.

Was den Vermieter anbelangt, so stellt dieser lediglich Wohnraum zur Nutzung aufgrund von Mietverträgen zur Verfügung. Was in der Wohnung vorgeht, ist  nicht seine Sache. Zwangsumzüge, etwa um zu quarantänisierende Mieter in einen Gebäudeabschnitt zu verfrachten, kommen vermieterseits veranlasst nicht in Betracht. Auch hier gilt: Es ist Sache der Behörde durch Verfügung etwa von ihr als erforderlich angesehene Maßnahmen anzuordnen. Ggfls. hat der Vermieter sie zu dulden, wozu er ebenfalls behördlich per Verfügung zu verpflichten wäre. Welche Maßnahmen dann rechtmäßig angeordnet werden können, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Dabei gilt jedenfalls eins: Quarantäne- und / oder Isolationsbereich ist stets die eigene Wohnung! Die Schaffung künstlicher "Quarantäne- und / oder Isolationsbereiche in einer betreuten Wohnanlage – durch wen auch immer – ist abwegig!

Resumé

Sieht eine Behörde ein Betreutes Wohnen als "Corona – Hotspot" so hat sie sich primär an die Mieter zu adressieren. Sie sind Adressaten von Verboten oder Geboten, was individuelles Verhalten anbelangt. Dem Vermieter können in Verkehrs- und Gemeinschaftsflächen umzusetzende Maßnahmen aufgegeben werden. Dazu können – je nach Risikolage – sicherlich die Schließung von Gemeinschaftsräumen, die Intensivere Reinigung / Desinfektion von Verkehrsflächen, Türgriffen, Handläufen u.ä. gehören. Die Durchsetzung / Kontrolle von "häuslicher Quarantäne" oder "Isolation" von infizierten Mietern gehört sicherlich nicht dazu: der Vermieter ist nicht der "Hilfspolizist" des Gesundheitsamts – unabhängig davon, dass er im Zweifel weder die personellen noch sächlichen Ressourcen hat, derartige Aufgaben wahrzunehmen.

Unabhängig von der juristischen Sicht …

Was man rechtlich zu tun hat und was man tun sollte, sind Zweierlei: Die Kompetenz des Vermieters wie auch eines in der Wohnanlage tätigen Betreuungsträgers zeigt sich sicherlich auch durch risikobewusstes Handeln: Warnhinweise – schriftlich wie mündlich, besonderes Obacht geben auf die Mieter ("Blick auf die Symptome einer Coronainfektion"), Intensivierung der Reinigung und Desinfektion von Verkehrsflächen, auch die temporäre Stilllegung von Gemeinschaftsräumen wie das Aufstellen von Desinfektionsmittelspendern sollten Selbstverständlichkeiten in diesen Zeiten sein!