Personal
Befragung: Philippinische Pflegefachkräfte in Deutschland sind unzufrieden
Einer Online-Befragung der Hamburger Beraterin Grace Lugert-Jose zufolge ist der Zustand der Gesamtzufriedenheit philippinischer Pflegefachkräfte in Deutschland alarmierend. Nur 17 Prozent der befragten hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte würden befreundeten Kolleg:innen auf den Philippinen ihren aktuellen Job empfehlen. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten fühlen sich „nicht willkommen“. Grundlage der Ergebnisse sei die Auswertung von 109 Fragebögen, die online ausgefüllt wurden.

Die Gewinnung ausländischer Fachkräfte kann dazu beitragen, die angespannte Personal-Situation in hiesigen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Die Philippinen sind hierbei ein wichtiges Herkunftsland, das einen guten Ruf bei Arbeitgebern genießt. In einer aktuellen Befragung wurde jedoch ein alarmierender Zustand der Gesamtzufriedenheit der philippinischen Pflegefachkräfte in Deutschland festgestellt. Nur 17 Prozent der befragten hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte würden befreundeten Kolleg:innen auf den Philippinen ihren aktuellen Job empfehlen. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten fühlen sich „nicht willkommen“, 64 Prozent empfinden sich in ihren fachlichen Qualifikationen abgewertet. Das ist das Ergebnis einer Studie der interkulturellen Beraterin und Trainerin Grace Lugert-Jose. Die gebürtige Filipina lebt seit 23 Jahren in Deutschland und hat sich auf die Integration ausländischer Pflegefachkräfte in Deutschland spezialisiert.
Für die Studie, die im Februar 2022 durchgeführt und jüngst ausgewertet wurde, hat Lugert-Jose eigenen Angaben zufolge hier lebende und arbeitende Pflegefachkräfte aus den Philippinen zu ihrer Berufszufriedenheit und zu verschiedenen Aspekten der Integration befragt. Mit 109 Teilnehmenden lasse die Erhebung gute Rückschlüsse auf die Gesamtheit der philippinischen Pflegefachkräfte in Deutschland zu, ist Lugert-Jose überzeugt. „Der überwiegende Teil der Erkenntnisse dieser Studie dürfte auch auf die Gesamtsituation ausländischer Pflegefachkräfte allgemein übertragbar sein, da das Ergebnis dieser Umfrage frühere qualitative Studien u.a. der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt und nun quantifizierbar macht“, heißt es in einer Pressemitteilung.
„Die Ergebnisse der Studie zeigen erhebliche Schwachpunkte der bisherigen Integrationsbemühungen in Deutschland auf“, kommentiert Lugert-Jose die gewonnenen Erkenntnisse. „Vor allem wenn man die Zufriedenheit der philippinischen Pflegefachkräfte hierzulande mit der in anderen Ländern vergleicht. In Großbritannien sind 71 Prozent der philippinischen Pflegefachkräfte zufrieden. Hohe Zufriedenheitswerte gibt es auch in den USA. Auch in anderen EU-Ländern wie Finnland scheint die Zufriedenheit höher zu liegen.“ Wenn die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland nachhaltige Ergebnisse bringen soll, bestehe auf jeden Fall dringender Handlungsbedarf, so die Studien-Initiatorin: „Es gibt Arbeitgeber, die bereits einen sehr guten Job bei der Integration machen und die Fachkräfte so langfristig binden. Leider ist dies nur eine Minderheit.“
Unzufriedenheit führt zu hoher Fluktuation
Nur 12 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „Insgesamt kann ich sagen, ich bin sehr zufrieden mit meinem Job“ voll zu. 64 Prozent hingegen widersprechen dieser Aussage. Auch bei der Frage nach der Weiterempfehlung ist das Ergebnis ernüchternd. Die Aussage „Ich würde diesen Job definitiv einem Familienmitglied oder einem Freund in meinem Heimatland empfehlen“ findet nur bei 17 Prozent der Befragten volle Zustimmung, liegt jedoch bei 66 Prozent Ablehnung.
Für eine Vergleichbarkeit wurde aus der Befragung auch der eNPS (Employee Net Promoter Score) als verbreitete Benchmark-Kennzahl berechnet. Der in dieser Studie ermittelte Wert von -49 Prozent sei besorgniserregend. „Die geringe Zufriedenheit der hier arbeitenden ausländischen Fachkräfte erklärt die hohe Fluktuation, von der viele Arbeitgeber berichten“, so Grace Lugert-Jose.
Ein zentrales Thema für die angeworbenen Fachkräfte ist fehlender Respekt und die mangelnde Anerkennung der Kolleg:innen. So stimmen der Frage „Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Qualifikationen und bisherige Berufserfahrung in Ihrem derzeitigen Job wertgeschätzt werden?“ nur 17 Prozent voll zu. Dem stehen 64 Prozent Ablehnung gegenüber. Aus den offen formulierten Antworten werde deutlich, dass dieses Problem in erster Linie mit den Kolleg:innen und direkten Vorgesetzten wahrgenommen wird, schlussfolgert die Studien-Initiatorin.
Dies sei besonders bemerkenswert, da die formale und theoretisch-fachliche Qualifikation der philippinischen Pflegefachkräfte sich an den Standards der USA orientiert und mit einem Bachelor-Studienabschluss über den deutschen Standards liege. Außerdem habe ein Großteil der hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte bereits mehrjährige internationale Berufserfahrung gesammelt, oft zum Beispiel im arabischen Raum. Somit stehe einer objektiv beurteilbar hohen Kompetenz eine sehr geringe Wertschätzung der Kolleg:innen der Stammbelegschaft gegenüber. Gerade diesen Punkt bedauert Grace Lugert-Jose sehr: „Es ist schade, wie viel Potenzial hier verloren geht, indem hochqualifiziertes Personal abgewertet wird.“ Aus den Ergebnissen leitet die Beraterin direkte Empfehlungen ab, sie rät Arbeitgebern u.a.:
- „Die allgemeine Erwartungshaltung muss gegenüber der Stammbelegschaft realistisch und transparent kommuniziert werden. Die Kompetenzen der neuen Kolleg*innen und auch die Abweichungen zur deutschen Ausbildung sollte allen Kolleg*innen klar sein. Alle sollten davon ausgehen, dass die neu angeworbenen Pflegefachkräfte aus dem Ausland einige Monate lang nicht voll einsatzfähig sind und dass dies für die Stammbelegschaft Mehrarbeit und Geduld aufgrund der Einarbeitung bedeutet.
- Es muss außerdem mehr Verständnis für die Situation von Menschen geschaffen werden, die neu in einem Land sind und sich anpassen müssen. Interkulturelle Kompetenz muss im gesamten Team geschult werden.“
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen setzen die falschen Prioritäten
Bei der Analyse der Ergebnisse werde deutlich, dass viele Arbeitgeber mit ihren Maßnahmen die falschen Prioritäten setzen. „Sie setzen auf möglichst schnelle Einarbeitung und wollen die neuen Mitarbeitenden dann direkt voll einplanen. Dies führt dann aber leider zu den hier beobachteten Missständen“, so Grace Lugert-Jose. In der Pressemitteilung zur Erhebung wird zu diesem Punkt ausgeführt: „Die Arbeitgeber planen die ausländischen Fachkräfte oft schnellstmöglich komplett in den Dienstplan ein und legen den Sprachunterricht dann außerhalb der Arbeitszeiten, wenn er überhaupt noch stattfindet. Gleichzeitig müssen die neu angeworbenen Fachkräfte sich auf die Anerkennungsprüfung vorbereiten. Das führt dazu, dass für den Sprachkurs oft keine Zeit oder Energie mehr übrig ist. Die Sprachkompetenz entwickelt sich nicht ausreichend weiter, was wiederum die Grundlage für Folgeprobleme ist.“
Informationen zur Erhebung
Die Studie sei im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als interkulturelle Trainerin und Beraterin entstanden, teilt Lugert-Jose mit. Die studierte Wirtschaftspsychologin berät eigenen Angaben zufolge deutschlandweit Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bei der Integration von internationalen Fachkräften. Lugert-Jose ist außerdem Gründerin der Facebook-Gruppe „Network of Pinoy Nurses in Germany“. Diese Gruppe sei eine der größten Austauschplattformen für philippinische Pflegefachkräfte in Deutschland. Über diese Gruppe wurde zur Befragung aufgerufen, die vom 18.02.2022 bis zum 25.02.2022 durchgeführt wurde. Es seien 109 komplett ausgefüllte Fragebögen in die Erhebung eingeflossen.
Mehr Informationen zu den Studienergebnissen.
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