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Für Menschen mit Demenz: Wie Wäsche richtig wirken kann

Menschen mit Demenz sollte das Leben so weit wie möglich erleichtert werden, sie sollten angeregt und in ihrer Art wertgeschätzt werden. Vor dieser Überzeugung ist es sinnvoll, auch die Potenziale zu nutzen, die in der Gestaltung von Wäsche liegen. Die vorgestellten Grundsätze gelten für alle Wohn- und Wäschereikonzepte.

Gelingt es, beispielsweise mithilfe von Wäsche oder der Bettwäsche die Lebensqualität für Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, zu verbessern? Zu solchen Überlegungen liegen bislang keine empirisch gesicherten Erkenntnisse vor. Ansatz dieses Artikels ist es deshalb, dasjenige Wissen, das zur Milieugestaltung für Menschen mit Demenz vorliegt, auf Wäsche bzw. Bettwäsche zu übertragen, um so ein Stück zur Verbesserung der Lebensqualität beizutragen. Der Beitrag ist nicht auf spezifische Wohnkonzepte abgestimmt, sondern greift Grundsätze auf, die sowohl von Wäschereien mit Leihwäsche wie auch von Häusern mit eigener Wäscherei genutzt werden können.

Grundsätze der räumlichen Milieugestaltung

In einem Pflegeheim bestimmen soziale, organisatorische und räumliche Umweltfaktoren das Milieu. Wäsche ist Teil der räumlichen Umwelt. Hinsichtlich der Erfordernisse der Raumgestaltung für Menschen mit Demenz gibt es in der Fachwissenschaft inzwischen weitgehende Übereinstimmung, welche Umgebungsfaktoren den Betroffenen das Leben erleichtern. Da Wäsche Teil der räumlichen Umwelt ist, können hier dieselben Grundsätze gelten, die aus der demenzgerechten Raumgestaltung bekannt sind. Hier werden drei Grundsätze genannt, die erreicht werden sollen:

Umwelt kann kompensatorisch wirken: Das bedeutet, dass verlorengegangene Fähigkeiten zumindest teilweise kompensiert werden. Eine wesentliche Fähigkeit, die bei einer Demenz verloren geht, ist die Orientierung. Nutzen Sie deshalb Kontraste: Menschen mit Demenz sind nicht nur kognitiv eingeschränkt, sondern zudem meist alt. In der Kombination heißt das: Sie sehen schlechter als jüngere, können blasse Farben (Pastellfarben) und Farben vom blauen Ende des Farbstrahls (blau, lila) schlecht erkennen. Satte Farben und Kontraste helfen, etwas deutlich wahrnehmen zu können, indem z. B. durch starke Kontraste, große Schrift und gute Beleuchtung auch sehbehinderten Menschen das Lesen erleichtert wird.

Zudem wähnen sich viele Demenzbetroffene im jungen Erwachsenenalter, also etwa 50 bis 70 Jahre vor unserer Zeit. Wenn Sie den Betroffenen eine Umwelt bieten, die zu dieser Zeit passt, gibt ihnen das Sicherheit und beruhigt: Sie fühlen sich weniger desorientiert und verunsichert in einer „fremden“ Zeit, sondern finden eine Umgebung vor, die ihnen vertraut ist und die sie bewältigen können. Benutzen Sie deshalb Wäsche, die in der Welt, in der sich die Menschen mit Demenz wähnen, üblich war – Stichwort: Biografieorientierung.

Umwelt kann therapeutisch wirken: Dazu zählt etwa all das, was die Betroffenen anregt. Klassisch ist die Wohnküche, in der es nach Selberkochen riecht und klingt und in der sich diejenigen, die möchten, beteiligen können. Demenziell Erkrankte benötigen einige Reize, um angeregt zu werden, um sich zu freuen oder Interesse an der Umgebung zu zeigen – Stichwort: Stimulation. Allerdings benötigen Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, sehr viel weniger Reize als Gesunde, um angeregt zu werden.

Wertschätzung und Respekt sind Grundlage jeder therapeutischen Wirkung. Wertschätzung und Respekt entstehen nicht allein in der Kommunikation, sondern ebenso in Handlungsspielräumen und Entscheidungsmöglichkeiten, die den Betroffenen geboten werden. Aus Zeitmangel und Kostengründen werden in Pflegeheimen vielfach Strategien verfolgt, die die demenziell Erkrankten in ihrer Würde verletzen; diese sollten vermieden werden.

Umwelt kann das Zuhausegefühl verstärken: Bewohner in einer Pflegeeinrichtung haben kein anderes Zuhause mehr, sie sind also auf die Wohnlichkeit im neuen Zuhause angewiesen. Das unterscheidet das Pflegeheim gravierend vom Krankenhaus. Das bedeutet: Viele Bewohner im Pflegeheim wünschen sich ein so normales Leben wie möglich trotz ihrer Einschränkungen. Zu diesem Bereich zählt beispielsweise die Ausstattung eines Wohnraums, die wohnlich „wie Zuhause“ sein sollte, ohne die Zweckmäßigkeit aufzugeben. In der Milieugestaltung werden diese drei Ansätze genutzt, um Menschen mit Demenz mehr Handlungsspielräume und Lebensfreude zu ermöglichen.

Milieugestaltung auf Wäsche übertragen

Um das Potenzial von Wäsche und insbesondere Bettwäsche zu nutzen, werden die Grundsätze der Milieugestaltung auf Bettwäsche übertragen. Das ist vor allem für stationäre Einrichtungen sinnvoll, in denen manche Bewohner sehr viel Zeit in ihrem Bett verbringen – jede Kompensation, Anregung und Verstärkung der Wohnlichkeit ist deshalb wertvoll.

Bezogen auf die Wäsche gilt ebenso wie in der Raumgestaltung: Wäsche kann dazu beitragen, verlorengegangene Fähigkeiten zu kompensieren, therapeutisch zu wirken und den unterstützungsbedürftigen Personen helfen, sich zuhause zu fühlen. Maßnahmen wirken oft gleichzeitig in allen drei Bereichen; sie werden hier trotzdem zur besseren Übersichtlichkeit getrennt dargestellt. Insgesamt darf nicht vergessen werden: Jeder Mensch ist anders – auch eine an einer Demenz erkrankte Person behält ihre Individualität. Bei jeder Maßnahme muss deshalb beobachtet werden: Wie reagiert die Person darauf? Ist eine Verbesserung des Zustands, eine Erleichterung oder Beruhigung, eine Anregung zu beobachten?

Kompensatorische Wäschegestaltung

Nutzen Sie zur besseren Orientierung auch bei der Wäscheauswahl Kontraste:

  • Wenn ein Handtuch von den Betroffenen benutzt werden soll, muss es gut sichtbar und als Handtuch erkennbar sein. Ein weißes Handtuch in einem weiß gekachelten Bad ist unsinnig – es wird von vielen nicht wahrgenommen. Hängen Sie ein oranges oder satt gelbes Handtuch in einem weißen Bad auf.
  • Wenn bestimmte Wäschestücke nicht benutzt werden sollen, verstauen Sie sie in einem unauffälligen Schrank: Ideal ist ein Einbauschrank in Wandfarbe ohne auffällige Griffe – ein solcher Schrank wird ab einem gewissen Stadium der Erkrankung meist nicht mehr wahrgenommen, und die Belastung des Rüttelns an einer verschlossenen Tür wird Ihnen und auch den Betroffenen erspart.

Biografieorientierung auf Wäsche zu übertragen heißt beispielsweise:

  • Am besten ist es, die eigene, gewohnte Bettwäsche benutzen zu können. Darin fühlt man sich Zuhause, sie ist das, was gewohnt ist und (meist) gefällt. Schwierig ist die Nutzung der eigenen Bettwäsche vor allem bei der Vergabe – Reißverschlüsse schmelzen, die Hygiene kann nicht immer vollumfänglich gewährleistet werden. Bei hauseigenen Wäschereien ist ein solches Angebot aber möglich und sollte genutzt werden.
  • Übliche Wäsche der heute 80-Jährigen und Älteren war rau (Leinen, Baumwolle), möglicherweise verfügten einige im Winter über Biberbettwäsche, um das Bett im ungeheizten Schlafzimmer etwas wärmer zu bekommen. Nicht üblich waren Satinbettwäsche oder Materialien, die glatt die Haut verwöhnen. Bettwäsche sollte deshalb die Haptik von Baumwolle oder Leinen aufweisen.
  • Übliche Wäsche roch nach Lavendel, 4711 oder Tosca oder auch nach Kernseife. Empfehlenswert sind aufgrund von Allergien nur natürliche Gerüche wie etwa Lavendel (Lavendelsäckchen im Schrank).

Therapeutische Wäschegestaltung

Zum Stimulieren können Muster genutzt werden, die einerseits ruhig, andererseits gewohnt (biografieorientiert) sind.

  • Dazu zählt zum Beispiel eine Hohlsaumkante: Viele Frauen haben als junge Mädchen für ihre Aussteuer alte Betttücher zu Tischdecken o.ä. umgearbeitet. Sie werden das Muster selbst tastend wiedererkennen und sich erinnern.
  • Oder dazu zählen Knöpfe: Bis weit in die 1980er Jahre hinein waren Knöpfe an Bettwäsche üblich. Reißverschlüsse wurden erst später umfangreich eingesetzt, Bettwäsche mit Hotelverschluss ist in Institutionen (Krankenhaus, Pflegeheim) üblich, aber nicht im privaten Haushalt. Einen Kompromiss bietet z. B. Wäsche mit Hotelverschluss (Zeitersparnis), an der etwa ein einzelner Knopf angebracht ist, beispielsweise ein mit Stoff bezogener Wäscheknopf, wie er noch bis in die 1970er Jahre bei Kopfkissen und Bezügen üblich war.

Um eine Reizüberflutung zu vermeiden, sollte Wäsche eben nicht mit Reizen überladen sein. Einfarbige Wäsche oder Wäsche mit klaren, ruhigen Mustern ist sinnvoll.

  • Ein einfarbiges Handtuch oder eines mit breiten Streifen, beispielsweise orange-weiß, ist sinnvoll.
  • Bettbezüge mit großen Blumen- oder Vögelmustern mögen viele Menschen; die meisten Menschen mit Demenz werden dadurch eher unruhig. Als Hauswäsche ist eine einfarbige Wäsche, die beispielsweise mit einem schlichten, eingewebten Muster verschönert ist, besser geeignet.

Wohnliche Wäschegestaltung

Ein wohnliches Zuhause kann auch anhand der Wäscheauswahl beeinflusst werden.

In einigen sozialen Einrichtungen ist es üblich, die Wohnbereiche farblich zu kennzeichnen. Beispielsweise werden in der „grünen Etage“ grüne Gardinen, grüne Sofas und grün gemusterte Tischdecken verwendet, im blauen Wohnbereich ist nicht nur der Fußboden blau, sondern auch ein Teil des Mobiliars und der Wäsche. Die Vor- und Nachteile einer solchen Gestaltungskonzeption sollten von den Verantwortlichen kritisch diskutiert werden: Gardinen, Tischwäsche, Teppiche und anderes farblich perfekt aufeinander abzustimmen, kann – zu konsequent verwirklicht – leicht zu einer anonymen Atmosphäre führen. Außerdem ist der Spielraum für die Schaffung eines privat-wohnlichen, „gewohnten“ Zuhauses bei einer farblichen Dominanz gering: Im privaten Zuhause käme kaum jemand auf die Idee, die gesamte Wohnumgebung durch eine einheitliche Farbe zu dominieren; stattdessen sind die meisten Wohnungen durch ein Sammelsurium an Erbstücken und schönen Einzelteilen geprägt.

Sowohl die Älteren wie auch ihre Angehörigen erwarten heute in Pflegeheimen das, was sie vom privaten Zuhause her gewohnt sind, soweit wie möglich auch stationär leben zu können: Dazu gehören etwa gewohnte Tätigkeiten ebenso wie gewohnte Speisen, gewohnte Rituale und gewohnte Wäsche. Dass Bewohner heute ihre gewohnte, private Wäsche mitbringen können, ist in den meisten Häusern selbstverständlich, stellt die Hauswirtschaft jedoch vor logistische Herausforderungen. Einige Schwierigkeiten sind bislang nicht befriedigend gelöst.

  • Die private Leibwäsche der Älteren wird heute gepatcht, um sie nach der Reinigung den jeweiligen Eigentümern wieder zuordnen zu können. Manche Ältere fühlen sich durch die kleinen Schildchen gestört, sie würden kratzen. Dazu kommt: Wie privat ist eine (Unter)Wäsche, in der der Name der Person steht? Wie wirkt sich das Beschriften der Wäsche auf die Betroffenen aus? Namensschilder oder Barcodes in der Wäsche Erwachsener sind weder „normal“ noch biografieorientiert – und für einige der an einer Demenz erkrankten Menschen sind sie ein negativer Reiz. Hier gibt es allerdings zurzeit noch keine Idee für eine andere, praktikable Lösung der Wäscheorganisation.

Für andere Maßnahmen gibt es gute Praxiserfahrungen, etwa für die Möglichkeit, nach Wunsch auch im Heim etwas tun zu können (hauswirtschaftliche Betreuung). Wenn Menschen in ein Pflegeheim ziehen, beginnt für sie die Vollversorgung: In einer Institution muss niemand mehr für seine haushälterische Versorgung sorgen, er oder sie muss nicht mehr waschen, kochen, putzen. Lange Jahre wurde nicht gesehen, dass viele Menschen unter diesem Nichtstun leiden. Etwas tun heißt für die meisten, zu etwas nütze zu sein, einen Sinn im Leben zu haben. Neuere Wohnkonzepte wie stationäre Hausgemeinschaften oder ambulant betreute Wohngruppen reagieren darauf und geben den dort Wohnenden verschiedene Möglichkeiten, mitzuhelfen und sich nützlich zu machen – sich an der Alltagsversorgung beteiligen zu dürfen: Gewaschene und getrocknete Wäsche wird gerne von einigen Bewohnerinnen zusammengelegt, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, weil ein Wäschekorb im Gemeinschaftsraum steht.

Arbeitskleidung kommt bei einigen gut an

Auch das Angebot gewohnter Arbeitskleidung wird von einigen gerne angenommen: Bieten Sie beispielsweise zur Mittagszeit schlichte Schürzen an, die auf dem Rücken gebunden, oder kleingemusterte Kittelschürzen (nicht zu unruhig, sondern reizreduziert!), die vorne geknöpft werden. Die Schürzen können auch bei der Gartenarbeit getragen werden, wenn es in der Einrichtung zum Beispiel ein Kräuterbeet gibt. Für Männer bieten sich so genannte Blaumänner an, etwa für handwerkliche oder auch aktivierende Holzarbeiten, oder grüne Schürzen für die Gartenarbeit.

In der Summe ist es möglich, dass vor allem mit Blick auf Wertschätzung und Respekt der Wäscheverbrauch steigen wird. Nutzen Sie die Wäscheversorgung dennoch als einen Beitrag zur Milieugestaltung, um Menschen mit Demenz ein möglichst stressfreies und anregendes Leben zu ermöglichen.

Tipp: Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft – www.dghev.de – können Sie grundlegende Informationsbroschüren zum Thema herunterladen.

> Autorin: Prof. Dr. Angelika Sennlaub lehrt Hospitality Management am Fachbereich Oecotrophologie, Hochschule Niederrhein. Kontakt: angelika.sennlaub@hs-niederrhein.de

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