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Lebensmittelhygiene: Hygienisch – aber lecker!
Was steht im Vordergrund? Eine Produktionsküche, die um elf Uhr einen optisch sauberen Eindruck macht oder die hochwertige Speise, die Bewohner schmackhaft mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt? Rund um die Lebensmittelhygiene beantwortet Ralf Klöber vier häufige Fragen aus der Praxis.

Woher stammt der Begriff Hygiene und was versteht man heute darunter?
Das Wort Hygiene stammt aus dem Griechischen und bedeutet „der Gesundheit dienend“. Die griechische Göttin Hygieia war in der griechischen Mythologie die Göttin der Gesundheit. Noch heute beginnt der hippokratische Eid mit den Worten: „Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt, und Asklepios, Hygieia, Panakeia sowie alle Götter und Göttinnen als Zeugen anrufend…“ Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) definiert den Begriff Hygiene als „die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden.“ Im eigentlichen Wortsinn handeln wir also nicht nur dann hygienisch, wenn unsere Produktionsräume optisch sauber sind, sondern auch dann, wenn die Zusatzstoffliste auf den Lebensmitteletiketten nur sehr kurz ist – besser noch, wenn auf Zusatzstoffe in Convenienceprodukten verzichtet wird.
Beispiel 1: In den meisten Fällen werden heute frische Kartoffeln in den Einrichtungen als geschältes Convenienceprodukt eingekauft. Werden diese Kartoffeln mit Schwefeldioxid (E-220) oder schwefeldioxid-haltigen Salzen (Sulfite, E-221 – 228) behandelt, bleibt ihre helle Farbe lange erhalten. Allerdings zerstört diese Gruppe das Vitamin B1, das für die Gesundheit wichtig ist.
Beispiel 2: Je geringer die Standzeiten für die produzierten heißen Speisen gehalten werden, desto hygienischer arbeiten wir, da der Verlust von nicht hitzebeständigen Vitaminen so gering wie möglich ausfällt. Ich spreche dabei gerne von einer Lebensmittelqualität durch optimale Herstellungshygiene, damit eine nachteilige Beeinflussung des Lebensmittels vermieden werden kann.
Was meint der Begriff „nachteilige Beeinflussung“?
Hier macht der Gesetzgeber sehr klare und deutliche Angaben. In der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) lesen wir in § 3, Allgemeine Hygieneanforderungen: „Lebensmittel dürfen nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind.“ Im Sinne dieser Verordnung sind nachteilige Beeinflussung: eine ekelerregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, wie durch Mikroorganismen, Verunreinigungen, Witterungseinflüsse, Gerüche, Temperaturen, Dämpfe, Aerosole, tierische Schädlinge, menschliche und tierische Ausscheidungen sowie durch Abfälle, Abwässer, Reinigungs- oder Pflanzenschutzmittel, Biozid-Produkte oder ungeeignete Behandlungs- und Zubereitungsverfahren…
Wie können nachteilige Beeinflussungen verhindert werden?
Hier leisten uns wieder einmal die Grundsätze des HACCPs wertvolle Hilfe. Die ersten fünf von den insgesamt sieben Grundsätzen bringen uns am besten weiter:
- Gefahren ermitteln und in drei große Bereiche unterteilen: Chemische, physikalische und biologische Risiken.
- Entscheiden, ob es sich um einen Lenkungspunkt (CP) oder um einen kritischen Lenkungspunkt (CCP) handelt.
- Prüfen, ob für die Gefahren Grenzwerte bestehen, die einzuhalten sind. Beispiele: Lagerung von TK-Produkten = -18° C, Heißhalten von Speisen = bei minimal +65° C für maximal drei Stunden (Anm. des Autors: Ein Grenzwert, der hoffentlich einmal überdacht wird! Siehe Vitaminverlust). Kühlen = von 65° C auf unter 10° C innerhalb zwei Stunden.
- Festlegen, wie die Grenzwerte überwacht werden. Beispiele: Temperaturen von Lebensmitteln über Temperatur-Messgeräte; Mindesthaltbarkeitsdatum und Verpackungen von Lebensmitteln über Sicht; Temperaturen von Kühleinrichtungen über Temperatur-Messgeräte.
- Festlegen, welche Maßnahmen durchzuführen sind, wenn die Grenzwerte über- oder unterschritten werden. Beispiele: Wurstwaren werden nicht bei maximal +7° C angeliefert, sondern bei +9° C. Maßnahme: Die Annahme der Ware verweigern. Selbstproduzierte Frikadellen sind noch nicht durchgehend gegart: Weiter garen, bis der Garpunkt erreicht ist.
Diese HACCP-Grundsätze sind nichts anderes, als die Darstellung der täglichen Arbeitsprozesse einer Produktionsküche in ein Formular, um hygienisch einwandfreie Bedingungen einzuhalten und zu gewährleisten (siehe Infokasten).
Was ist grundsätzlich bei der Umsetzung von Hygiene zu beachten?
Ich plädiere sehr stark für die Abkürzung GMV – Gesunder Menschen-Verstand. Natürlich müssen wir alles unternehmen, was sinnvoll ist, um nachteilige Beeinflussungen zu minimieren und wenn möglich auszuschalten. Allerdings sollten wir auch akzeptieren, dass wir nicht alle Lebensrisiken ausschalten können und sie ganz einfach zum Leben gehören. Wenn wir heute unseren Bewohnern sagen: Sie bekommen bei uns weder einen Feinkostsalat, noch einen geräucherten Fisch, noch irgendwelche Rohwürste oder ein weich gekochtes Ei, dann sollten wir uns die Frage stellen, wo Entmündigung anfängt und wo sie aufhört. Zudem sollten uns diese Schlagworte begleiten: richtig – falsch – macht Sinn oder Unsinn.
Beispiel: Richtig ist, wenn ich ein TK-Produkt bei -18°C aufbewahre. Falsch ist, wenn ich das TK-Produkt bei -17°C aufbewahre. Es macht Sinn, im Tiefkühler mit einem Puffer von ca. 2°C zu arbeiten, also den Tiefkühler auf -20°C einzustellen, damit Schwankungen besser aufgefangen werden können. Unsinn ist, wenn ich aus überzogener Vorsicht die Temperatur auf -28°C stelle.
Natürlich macht es Sinn, wenn ich auf einer geöffneten Milchverpackung notiere: Zu verbrauchen bis…, denn die Aussage, „geöffnet am“ ist äußerst schwammig und nicht sehr hilfreich. Aber ist diese Sinnhaftigkeit auch gegeben bei Produkten wie Senf, Zucker, Weißwein oder Tütensuppen? Wohl kaum.
Infos: www.bfr.bund.de
> Autor: Ralf Klöber, Koch und Unternehmensberater, KlöberKASSEL Wissen für die Hauswirtschaft. Kontakt: r.kloeber@koeber-kassel
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