Politik
Steinmeier zeigt sich offen für soziale Pflichtzeit
Bei der Bundeswehr, bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder Obdachlosenunterkünften: Bundespräsident Steinmeier kann sich die Einführung einer sozialen Pflichtzeit vorstellen. Familienministerin Lisa Paus ist dagegen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann sich die Einführung einer sozialen Pflichtzeit vorstellen. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen“, sagte Steinmeier der „Bild am Sonntag“. Es gebe ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen für eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen. „Politik sollte das aufnehmen.”
Steinmeier sagte, die Ausgestaltung einer solchen Pflichtzeit sollte Gegenstand der Debatte sein. Auch wie lange der Dienst dauern könnte, ließ der Bundespräsident offen. „Ich habe bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein.“ Geleistet werden könnte die Pflichtzeit bei der Bundeswehr genauso wie bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften.
Damit würde nach den Worten Steinmeiers auch die Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt. „Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein“, sagte der Bundespräsident. „Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen.“ Das baue Vorurteile ab und stärke den Gemeinsinn. Zugleich sprach sich Steinmeier gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. „Ich war für die Wehrpflicht, solange es sie gab“, sagte er. Jetzt gebe es eine Bundeswehr mit ganz anderen Strukturen. „Ich rate davon ab, die alte Debatte über die Wehrpflicht neu aufzulegen.“
Bundesfamilienministerin Paus äußerte sich kritisch zu dem Vorschlag. Freiwilligendienste seien bei Jugendlichen sehr beliebt, sagte sie. Doch ein sozialer Pflichtdienst „würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten“. Jungen Menschen, die unter der Pandemie besonders gelitten hätten, solle weiterhin die Freiheit zu eigenen Entscheidung gelassen werden, sagte die Grünen-Politikerin.
Kommunen: Umsetzung sozialer Pflichtzeit braucht Zeit
Die Kommunen haben Zweifel geäußert, ob der von Steinmeier vorgeschlagene soziale Pflichtdienst in absehbarer Zeit umsetzbar ist. Es sei eine erhebliche Zeitspanne erforderlich, um die organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Möglicherweise erfordert eine solche Verpflichtung auch eine Verankerung im Grundgesetz“, sagte Landsberg
Als Zwischenschritt schlug Landsberg vor, die Anreize für den Bundesfreiwilligendienst, das soziale Jahr oder das ehrenamtliche Engagement etwa bei der Feuerwehr zu stärken. Die Anerkennung einer solchen Tätigkeit zum Beispiel bei der Studienplatzvergabe oder bei einer Bewerbung für den öffentlichen Dienst solle deutlich verbessert werden. Grundsätzlich hieß der Hauptgeschäftsführer den Steinmeier-Vorstoß als Beitrag zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts gut. Wenn jeder Einzelne sich für einen beschränkten Zeitraum in den verschiedenen Institutionen des Staates oder der sozialen Infrastruktur engagieren müsse, werde „eine andere Einstellung zum Staat entstehen“.
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