Management

Pflegerische Versorgungsbausteine im Quartier integrieren

Die Bedeutung von alternativen Wohn- und Pflegekonzepten mit Quartiersbezug nimmt seit Jahren zu. Sie sind idealerweise sektoren-verbindend und vernetzt. Architektin Gudrun Kaiser beleuchtet im Interview die neuen Kooperationen von Wohnungswirtschaft und Pflegebranche sowie die Rolle von Tagespflegen.

Gudrun_Kaiser_Hellen Pass Fotografie
Foto: Hellen Pass Fotografie Gudrun Kaiser ist Architektin und Inhaberin von WiA -Wohnen im Alter. Sie tritt als Referentin bei der Altenheim Konferenz "Neue Wege - Wohnen im Alter" am 22./23. November auf.

Frau Kaiser, welche integrativen Trends im Wohnungsbau konnten Sie in jüngster Vergangenheit beobachten?
Seit einigen Jahren entstehen zunehmend Kooperationen zwischen Wohnungswirtschaft und Pflegebranche, die sich durch die direkte Integration pflegerischer Versorgungsbausteine in den Wohnungsbau und in die Quartiere auszeichnen. Tagespflegeeinrichtungen und ambulant betreute Wohngemeinschaften können beispielsweise mit ihrem Bedarf an Flächen und Außenbereichen besonders gut erdgeschossig im Wohnungsbau untergebracht werden, wo Kleinwohnungen oft auf Sicherheitsvorbehalte stoßen. Die Präsenz solcher Angebote und professionell pflegender Personen im Quartier vermittelt der gesamten Quartiersbewohnerschaft stets eine gefühlte Versorgungssicherheit in Pantoffelnähe, auf die im Bedarfsfall zugegriffen werden kann. Darüber hinaus werden im Wohnungsbau immer häufiger Gemeinschafts- und Quartiersräume als Treffpunkte für die Mieterschaft angeboten, die generationenübergreifend und nach verschiedenen Verwaltungsmodellen partizipatorisch genutzt und bespielt werden können.

Die Bedeutung von Pflege in Quartieren nimmt weiter zu. Welchen Stellenwert nehmen Tagespflege als ein Baustein der Versorgung ein?
Die temporäre Betreuung in einer Tagespflege mit abendlicher Rückkehr in die eigenen vier Wände kann pflegebedürftigen und demenziell erkrankten Menschen einen deutlich längeren Verbleib in der gewohnten Lebens- und Wohnsituation ermöglichen. Das gilt besonders für quartiersnahe Tagespflegeeinrichtungen mit kleinem Einzugsradius, die bestenfalls von ihren Gästen mit Unterstützung der in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Angehörigen sogar zu Fuß erreichbar sind und zeitlich flexibel in Anspruch genommen werden können. Umzüge in Pflegeeinrichtungen und der Verlust des sozialen Umfelds können dadurch verzögert, für viele Menschen auch dauerhaft vermieden werden. Das hat Tagespflegeeinrichtungen zu einem überaus beliebten und seit Jahren wachsenden Angebot zwischen häuslicher und stationärer Versorgung gemacht.

Ihre Prognose: Werden Pflege-Wohngemeinschaften (ambulant versorgt oder betreibergebunden) eine tragende Rolle spielen?
Verglichen mit der Anzahl stationärer Pflegeeinrichtungen und Pflegeplätze sind Pflege-Wohngemeinschaften quantitativ immer noch ein Nischenangebot und werden es vermutlich auch bleiben. Aber sie bereichern die Vielfalt und Wahlmöglichkeit der Wohn- und Betreuungsformen. Die einfache Integration von Wohngemeinschaften in Quartiere und in den Wohnungsbau ist außerdem ein herausragendes Alleinstellungs- und Qualitätsmerkmal pflegerischer Versorgung, das für zunehmende Verbreitung und Wertschätzung dieser Wohnform geführt hat. Auch die Überschaubarkeit und die flexible Nutzungsmöglichkeit der Räumlichkeiten für Menschen jeden Alters mit und ohne Pflegebedarf – für Menschen mit Demenz wie für Studierende – spricht meines Erachtens für eine mit Blick auf die Zukunft vielleicht nicht tragende aber noch unterschätzte und ausbaufähige Rolle dieser Wohnform.

Hinweis: Gudrun Kaiser ist Referentin bei der Altenheim Konferenz “Neue Wege – Wohnen im Alter: integrativ planen, nachhaltig im Quartier bauen”. Diese findet am 22. und 23. November online statt. Melden Sie sich hier an.