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Auch Hauswirtschaft braucht eine Personalstrategie

Wie können dringend benötigte Auszubildende für den Beruf begeistert, zielgruppengerecht angesprochen und gehalten werden? Um die fachliche Expertise zu sichern und kompetentes Personal in der Hauswirtschaft zu gewinnen, brauchen die Einrichtungen in der Altenhilfe eine klare Strategie.

- Foto: Caro Höne

Aktuell scheinen alle mit dem Personalmangel in der Pflege beschäftigt zu sein. Dabei droht der fachliche Bedarf in der Hauswirtschaft bei vielen Trägern völlig aus dem Blick zu geraten. Eigentlich unverständlich, da die bundesweite Pflegestatistik ausweist, dass bereits jeder sechste Arbeitsplatz der stationären Altenhilfe der Hauswirtschaft zuzuordnen ist (vgl. Pflegestatistik 2017; veröffentlicht 2018).

Und der hauswirtschaftliche Bedarf wächst kontinuierlich, stationär wie ambulant. Allen Unternehmensverantwortlichen ist „grundsätzlich“ bewusst, wie wichtig die hauswirtschaftlichen Handlungsfelder für die Lebensqualität der Menschen sind. Dennoch werden Ausbildungsplätze in der Hauswirtschaft nicht wiederbesetzt oder Auszubildende mit wenig Sorgfalt angesprochen und ausgewählt. Die Zahl der Ausbildungsverträge in der Hauswirtschaft hat bundesweit kontinuierlich abgenommen. Zwischen 2008 und 2013 reduzierte sich beispielsweise in Baden-Württemberg die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge Hauswirtschafter/in fast um die Hälfte. Damit sind die erforderlichen Klassenstärken in den Berufsschulen kaum noch zu erreichen. Immer mehr Berufsschulen müssen ihre hauswirtschaftlichen Fachbereiche schließen. Dabei wissen alle: Weite Anfahrtswege zur Berufsschule motivieren nicht zur hauswirtschaftlichen Ausbildung oder zum „Durchhalten“ in kritischen Ausbildungssituationen. Um die fachliche Expertise zu sichern und kompetentes Personal in der Hauswirtschaft zu gewinnen, brauchen die Unternehmen deshalb eine Personalstrategie.

Drei zentrale Fragen für die Strategie

Wie bei jeder Strategieentwicklung geht es auch bei der Personalstrategie um drei zentrale Fragestellungen, die geklärt werden sollten:

  • Wo stehen wir heute? Analyse der aktuellen Situation.
  • Wo wollen wir hin? Zukünftiger Bedarf und
  • Wie kommen wir dahin? Erfolgsfaktoren und Maßnahmen.

Selbstverständlich sind hier die allseits bekannten Herausforderungen der Altenhilfe zu berücksichtigen wie z. B.: Demografische Entwicklungen mit steigender Nachfrage, Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials, zunehmender Kostendruck und Unvorhersehbarkeit des Marktes.

Wenn man beispielsweise den „vorsichtigen“ Hochrechnungen der statistischen Landesämter folgt, ist das gesamte Personal in der Altenhilfe bis 2050 – je nach Berechnung auch bis 2060 – mindestens zu verdoppeln, nicht nur bei der Pflege, sondern ebenso in der Hauswirtschaft.

Aber auch spezielle Entwicklungen im Bereich der Hauswirtschaft sind genauer zu beleuchten. Dazu zählen z. B. das Outsourcing von ausgewählten hauswirtschaftlichen Dienstleistungen und die damit notwendigen Kooperationen mit Fremdfirmen, die zunehmende Chemie- und Technikunterstützung, der Einsatz vorgefertigter Produkte und zugleich die Sicherstellung von Qualitätsanforderungen, von Verbraucher- und Umweltschutz.

Spannend wird es, wenn man sich mit den wachsenden Ansprüchen von Bewohnern und Angehörigen sowie den eigenen Unternehmensleitbildern beschäftigt. Dann tauchen Fragen auf, wie der Träger denn ein „Leitbild Wohnen“, „Selbstbestimmung“, „normale Lebensgestaltung“, „Privatsphäre“, „Teilhabe“, „Wahlmöglichkeiten bei Mahlzeiten“ und weiteres konkret umsetzen möchte.

Papier ist bekanntlich geduldig, aber letztlich prägen Erfahrungen der Kunden den Ruf des Unternehmens.

Die Träger der Altenhilfe müssen sich deshalb regelmäßig damit beschäftigen, welche hauswirtschaftlichen Leistungen zukünftig in welchem Umfang, auf welchem Niveau und an welchem Standort erbracht werden sollen. Daraus dürfte dann abzuleiten sein, welche hauswirtschaftlichen Kompetenzen auf welchem Niveau auf-, ab- oder auszubauen sind.

Mit diesen Analysen stellen Einrichtungen zunehmend fest, dass es für sie durchaus Sinn macht, eine differenzierte Personalstruktur zu definieren und für die Hauswirtschaft selbst auszubilden. So können sie frühzeitig auf ihre Organisationskultur und Qualitätsanforderungen vorbereiten. Allerdings zeigen die Untersuchungen auch, dass möglicherweise ein anderes Ausbildungsmarketing, mehr Sorgfalt bei der Auswahl geeigneter Auszubildender und bei der Gestaltung des Arbeitsfeldes zu legen ist.

Will man den Bereich Hauswirtschaft als attraktives Ausbildungs- und Arbeitsfeld gestalten, sind aus personalpolitischer Sicht verschiedene Schlüsselfaktoren von Bedeutung.

Schlüsselfaktor „Arbeitsplatzkultur“

Auch die Hauswirtschaft hat immer wieder mit Klischees und mangelnder Wertschätzung zu kämpfen, die bereits von Privathaushalten bekannt sind. Nach dem Motto: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein.“ Aufgaben der Hauswirtschaft werden bei einigen Unternehmen immer mehr verdichtet, notwendige Fachlichkeit ignoriert, Engagement und Teamleistungen kaum gewürdigt.

Die Hauswirtschaft rückt oft nur dann in die Aufmerksamkeit, wenn etwas „nicht rund läuft“ oder die Beschwerden von Kunden zunehmen. Da darf es niemanden wundern, wenn es immer schwerer wird, kompetenten Nachwuchs für die Aufgaben der Hauswirtschaft zu begeistern.

Will man als Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber attraktiv sein, ist jedoch eine Arbeitsplatzkultur zu schaffen und zu pflegen, die auf den Säulen „Stolz“, „Teamgeist“, „Fairness“, „Glaubwürdigkeit“ und „Respekt“ beruht. Ein attraktiver Arbeitsplatz ist immer da, „wo man denen vertraut, für die man arbeitet, stolz ist auf das, was man tut und Freude hat an der Zusammenarbeit mit anderen“ (vgl. „Great Place to Work-Modell).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schlüsselfaktoren „Qualität und Innovation“

In allen Bereichen der Sozialwirtschaft ist in der Regel eine besondere Motivation der Beschäftigten spürbar. Diese Motivation lässt sich allerdings nur wecken und bewahren, wenn auch die qualitativen Ansprüche an die Arbeit erfüllt werden. Stolz auf ihre Arbeit entwickeln Mitarbeitende, wenn persönliche Ansprüche mit den Grundsätzen der Organisation übereinstimmen: „Gutes tun – und zwar richtig gut!“

Gute Hauswirtschaft hat beispielsweise immer das Ziel, Bedürfnisse und Bedarfe von Kunden frühzeitig wahrzunehmen und kompetent darauf zu antworten. Deshalb ist in allen hauswirtschaftlichen Bereichen eine Offenheit für neue Erkenntnisse und Konzepte zu fördern und zu kultivieren. Gelingen kann das beispielsweise mit regelmäßigen, zeitlich und organisatorisch überschaubaren Projekten zu Qualität und Innovation.

Hier geht es nicht vorrangig um langjährige Projekte, die wissenschaftlich ausgewertet werden, sondern um das Definieren, Ausprobieren und Reflektieren von „kleinen“ Neuerungen, die zu einer Verbesserung oder Vereinfachung beitragen. Zu einer Kultur ständiger Verbesserung gehört das gemeinsame Reflektieren und Vergewissern, auf dem richtigen Weg und mit den richtigen Instrumenten unterwegs zu sein.

Interessenten und Bewerber merken, wenn die Hauswirtschaft eine solche Kultur anstrebt und ausdrückt: „Wir nehmen Herausforderungen an und sind dabei richtig gut!“

Schlüsselfaktoren „Ausbildung und Personalentwicklung“

Qualität und Innovation in der Hauswirtschaft hängen selbstverständlich immer auch mit dem Qualifizierungsniveau der Beschäftigten zusammen. Allerdings geht es meist weniger um Zertifikate und Benotungen.

Bedeutsamer ist vielmehr, daran anzuknüpfen, was jemand wirklich weiß und kann – und in der Praxis umsetzt. Zugleich sollte das Unternehmen jedoch auch die eigenen „Organisationsstandards“ definieren – „was muss man hier wissen und können“. Erst dann kann im Rahmen der Personalentwicklungsplanung geklärt werden, wie Interessenten, Auszubildende oder Mitarbeitende einzuarbeiten, anzuleiten und persönlich zu fördern sind.

Personalentwicklung ist immer auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auszurichten. Deshalb hat jedes Unternehmen regelmäßig zu prüfen, welche Aufgaben mit welchen Herausforderungen, welche Kompetenzen auf welchem Niveau erforderlich sind. Darüber wird vielen Organisationen (wieder) bewusst, wie sinnvoll es ist, in der Hauswirtschaft selbst auszubilden.

Mit einer definierten Personalstruktur kann das Unternehmen erkennen, ob es für alle strategisch relevanten Herausforderungen qualifiziert aufgestellt ist oder nicht. Es kann dann entscheiden, in welchem Umfang es Ausbildungs- und Qualifizierungsplätze anbieten und welche Zielgruppen oder „Talente“ es ansprechen möchte.

Zumeist entdecken die Unternehmen in diesen Prozessen, dass es ihnen in der Hauswirtschaft doch nicht „nur um die helfenden Hände“ geht. Wie schon bisher, braucht die Hauswirtschaft auch weiterhin die so genannten „Taffen“, mit schneller Auffassungsgabe, die aufmerksam, team- und handlungsfähig sind. Mit dieser Erkenntnis ist jedoch bewusster nach hauswirtschaftlichen Talenten zu suchen.

Fündig wird man oft dort, wo hauswirtschaftliche Leistungen bereits geschätzt werden, z. B. in großen Familien oder Mehrgenerationenverbünden, in kleinen oder mittleren (Familien-)Unternehmen des Handwerks oder der Landwirtschaft.

Nicht selten werden hauswirtschaftliche Talente im gemeinsamen Tun entdeckt, beispielsweise bei der qualifizierten Praxisanleitung während eines Schulprojekts oder während eines Praktikums. Auch Freiwilligendienste (FSJ, BFD etc.) dienen der beruflichen Orientierung und können helfen, die Freude an der Hauswirtschaft zu entdecken.

Schlüsselfaktoren „Image und kontinuierliche Aufmerksamkeit“

Natürlich muss bei allen Beteiligten zunächst das Verständnis wachsen, dass die Angebote der beruflichen Orientierung – für Junge und Lebensältere – nicht nur eine zusätzliche Belastung, sondern eine Chance zur Gewinnung von geeignetem Personal darstellen.

Die Hauswirtschaft versteht in der Regel ihr eigenes Handwerk, bleibt aber bei der Selbstdarstellung meist weit unter ihren Möglichkeiten. Vermutlich aus der Tradition, möglichst „geräuschlos“ die hauswirtschaftlichen Prozesse zu managen, werden Gelegenheiten verpasst, auf die Qualität und das Leistungsvermögen der hauswirtschaftlichen Handlungsfelder aufmerksam zu machen.

Personalgewinnung beginnt zunächst bei der Profilbildung innerhalb der eigenen Einrichtungen und Dienste.

Die anderen Fachbereiche dürfen ruhig wissen, was die Hauswirtschaft leistet und was von der Hauswirtschaft erwartet werden darf. Die Beschäftigten und Leitungen der Hauswirtschaft lernen dabei, positive Aufmerksamkeit für Ihre Arbeit zu wecken, gemäß dem Grundsatz „Tue Gutes, zeige Qualität und rede darüber!“. So können konzeptionelle Ansätze – etwa zur „Biographie-Orientierung“, zum „Normalitätsprinzip“ oder Leitbilder – „Wohnen“, „Selbstbestimmung“, „Privatsphäre“ – genauso vermittelt werden, wie konkretes Mitwirken bei Veranstaltungen.

Wichtig ist natürlich, nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich über die Hauswirtschaft und ihre Beschäftigten zu berichten. Nur so wird erkennbar, wie attraktiv das Ausbildungs- und Arbeitsfeld Hauswirtschaft sein kann.

 

 

 

 

 

 

Keine falschen Versprechungen machen

Aber Vorsicht: Bei der Darstellung der Arbeit in der Hauswirtschaft sollte nicht zu „dick aufgetragen“ und sollten keine falschen Versprechungen gemacht werden. Hauswirtschaft ist kein Arbeitsfeld für Leute, die „eine ruhige Kugel schieben“ oder sich wenig Gedanken machen wollen.

Will man heute die „Taffen“ gewinnen, die aufmerksam, team- und handlungsfähig sind, muss man sie gezielt ansprechen. Dazu gehört selbstverständlich auch, Entwicklungs- und Karriereperspektiven herauszustellen.

Zu den Entwicklungsperspektiven zählt ebenso, die individuelle „Work-Life-Balance“ in der persönlichen Berufsbiografie zu unterstützen. So werden in der Hauswirtschaft attraktive – und verlässliche! – Arbeitszeitmodelle ebenso geschätzt wie die Gesundheitsfürsorge des Arbeitgebers.

Hauswirtschaftliche Kompetenz wird zukünftig mehr denn je benötigt. Es macht Sinn, sich strategisch aufzustellen und gut darauf vorzubereiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Infos: www.caritas-rottenburg-stuttgart.de/jobs-karriere

Buchtipps:

  1. Annett Herrmann (2017) Personalarbeit 4.0 – Arbeit kompetenzorientiert gestalten, Waxmann Verlag, Münster.
  2. Cornelia Heider-Winter (2014) Employer Branding in der Sozialwirtschaft, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden.
  3. Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. (Hrsg.) (2017) Wertorientiertes Handeln in der Hauswirtschaft – Zehn ethische Ansätze, Lambertus Verlag, Freiburg.
  4. Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. (Hrsg.) (2018) Mahlzeiten wertschätzend gestalten, Lambertus Verlag, Freiburg

> Autor: Bernhard Slatosch, Verantwortlicher Kompetenzfeld Personalpolitik, Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V., Kontakt: slatosch@caritas-dicvrs.de

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