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Lilie: Im Lockdown hat sich „eine stille Katastrophe abgespielt“

Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, der Anfang August mehrere Einrichtungen der Diakonie besuchte, sagte der "Welt", im Lockdown habe sich "eine stille Katastrophe abgespielt". So berichtete er von einem Leiter eines Pflegeheims, "dem binnen vier Wochen fast ein Drittel seiner Bewohner unter der Hand weggestorben ist".

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Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Foto: H. Bredehorst

Ihm sei es "über eine schier endlos erscheinende Zeit" nicht gelungen, Masken, Schutzkleidung und Testmöglichkeiten aufzutreiben. Noch heute kämpfe der Einrichtungsleiter des kleinen bayrischen Heims mit schweren Schuldgefühlen, weil er die Menschen nicht besser schützen konnte, schilderte Lilie.

Nach Lilies Einschätzung sind viele Pflegekräfte weit über ihre Belastungsgrenze gegangen und "heute so gezeichnet, dass ich eine posttraumatische Belastungsstörung vermute. Wenn ihnen die Möglichkeit zur Aufarbeitung fehlt, werden die Menschen das nicht lange durchhalten", warnte er.

Er hat zudem scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geübt. Die in der Corona-Krise zugesagte einmalige Sonderprämie für Pflegekräfte zählte er zu Spahns "größten Fehltritten". "Diese Prämie ging nur an einige wenige, während andere in die Röhre gucken mussten, die in den Einrichtungen genauso hart gearbeitet haben", sagte Lilie der Tageszeitung "Welt". Das werde in der Branche als ungerecht empfunden.

Lilie forderte, "noch einmal neu darüber nachdenken, wie man eine echte Anerkennung hinbekommt. Dazu gehört aber mehr als ein einmaliger Bonus", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. Notwendig sei eine systematische Aufwertung der Pflegeberufe.