Politik
Der Dritte Weg ist zukunftsfähig
Im Zusammenhang mit der Diskussion um einen flächendeckenden allgemeinverbindlichen Pflegetarifvertrag steht der Dritte Weg unter Beschuss. Caritas und Diakonie werden wegen ihrer ablehnenden Haltung massiv kritisiert und in einem viel zitierten Kommentar der ZEIT gar als scheinheilig bezeichnet. All diejenigen, die jetzt mit einer emotionsgeladenen Empörungsrhetorik aufwarten, sollten sich wieder abkühlen und versuchen, das Thema objektiv einzuordnen.
Ein Meinungbeitrag von Bernhard Schneider

Denn zur Wahrheit gehört, dass Diakonie und Caritas auf ihrem Dritten Weg und mit ihren Arbeitsvertragsrichtlinien die besten Gehälter und die besten Rahmenbedingungen für Pflegekräfte in der gesamten Pflegebranche erreicht haben. Warum die kirchlichen Verbände trotzdem die Prügel abbekommen, lässt sich in der überhitzten Debatte nur damit erklären, dass sich alle Kommentare eines breiten Beifalls sicher sein können, wenn es nur gegen die Kirchen und ihre Verbände geht. Wenn jemand den Titel der Scheinheiligkeit verdient, dann sind es die Mitglieder des BVAP, die es bisher versäumt haben gute Tarifverträge für ihre Mitarbeitenden abzuschließen.
Jedes Pflegeunternehmen hat schon seit Jahren die Möglichkeit, Tarifverträge über die Pflegesätze zu refinanzieren. Jetzt den moralischen Anspruch zu erheben, einen mit ver.di vereinbarten Splittertarifvertrag über die ganze Branche zu stülpen, ist anmaßend. Davon abgesehen ist er auch gar nicht nötig, denn mit der bundesweiten Pflegekommission und dem geplanten Tariftreuegrundsatz in der Pflegeversicherung gibt es Alternativen, die nicht in die Tarifautonomie eingreifen.
Der Dritte Weg setzt auf das Konsensprinzip
Und noch ein Wort zum Dritten Weg, den viele als „aus der Zeit gefallen“ abwerten, ohne wirklich zu verstehen, um was es dabei geht: Im Gegensatz zum Zweiten Weg, auf dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Tarifverträge mit Mitteln des Arbeitskampfes wie Streik und Aussperrung erstreiten, setzt der Dritte Weg auf das Konsensprinzip: In paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen werden Arbeitsvertragsrichtlinien und damit auch die Bezahlung verhandelt. Wenn sich Dienstgeber und Dienstnehmer nicht einigen können, gibt es nach einem streng vorgegebenen Verfahren eine verbindliche Schlichtung, in der dann ohne Streik eine Entscheidung getroffen wird.
Dieses, in unserer Verfassung verankerte, Prinzip der Arbeitsrechtssetzung in kirchlichen Verbänden, das die unmittelbaren Interessen von Beschäftigten und Betrieben in den Vordergrund stellt und zudem innovative Antworten auf die Herausforderungen einer modernen Arbeitswelt findet, ist ein zukunftsfähiger, Erfolg versprechender Weg in der Sozialpartnerschaft. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und auch Prügel einzustecken, die man eigentlich nicht verdient hat.
Der Autor ist Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart.
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